Beim Glücksspiel geht es auch um einen Riss, der quer durch die Sozialdemokratie geht.
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Wien. Kann Schweigen zum Schneiden sein? "Absolut kein Kommentar", heißt es aus dem Büro der für Glücksspiel zuständigen Finanz-Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) zur Vergabe zweier Casino-Lizenzen in Wien und einer in Niederösterreich. Der Automatenriese Novomatic schweigt, Casinos Austria schweigen, die Lobbyisten, die das Finanzministerium belagern, schweigen.
Die Ruhe vor dem Sturm hat nicht nur mit den strengen Regeln des Vergabeprozesses zu tun, sondern auch mit der Höhe der Einsätze. Es geht um hunderte Millionen künftiger Einnahmen, sowohl für die Betreiber als auch für die Staatskasse; alleine für einen der möglichen Standorte verspricht ein Bieter 25 Millionen Euro jährlicher Steuern. Und es geht um Macht und Einfluss in einer Branche, die mit der Politik eng vernetzt ist. Die Liste der Promi-Politiker, die bei Novomatic oder Casinos angedockt haben, wird jährlich länger.
Die Spieler
Für die neuen Casino-Standorte in Wien und Niederösterreich haben sich neben den Casinos Austria auch Novomatic, die Schweizer Stadtcasino Baden AG (nicht Baden bei Wien) gemeinsam mit dem deutschen Automatenkonzern Gauselman sowie ein Konsortium aus Century Casinos um den Investor Michael Tojner beworben. Letzteres möchte eine Spielbank im Hotel Intercontinental am Wiener Stadtpark errichten, Gauselmann und die Schweizer wollen ins Palais Schwarzenberg. Novomatic strebt Vollkonzessionen für seinen Admiral-Automatensalon im Prater und die Spielstätte Monte Laa im Böhmischen Prater an. Die Casinos Austria rittern um alle drei Lizenzen, halten ihre Standorte aber geheim.
Die Spielregeln
Im Finanzministerium wird die Ausschreibung von einem Glücksspielbeirat vorbereitet. Den Vorsitz hat kein Geringerer als Wolfgang Nolz, der 25 Jahre Leiter der Steuersektion im Ministerium war. Nach Kriterien wie Eigenmitteln, Spielerschutz, Entwicklungsplänen oder Erfahrung werden Punkte vergeben. Der mit den meisten Punkten gewinnt. Dabei kommt es natürlich darauf an, wie stark die einzelnen Kriterien gewichtet werden.
Die Chancen
Die besten Karten hat Novomatic für den großen Prater. In ganz Wien stehen 2800 Spielautomaten. Novomatic ist Marktführer und betreibt alleine im Prater über 400 Maschinen. Tritt in Wien das paktierte Verbot des kleinen Glücksspiels (Spielkabinen, Automaten in Cafés) wie geplant 2015 in Kraft, würde Novomatic nur um einen Teil seines Automaten-Geschäfts umfallen. Einarmige Banditen in den Casinos sind Bundessache und wären vom Landesverbot nicht tangiert. Schwer vorstellbar, dass der mit weltweit 230.000 Automaten und 20.000 Mitarbeitern agierende Konzern daheim leer ausgeht. Außerdem gibt es eine Lizenz für Wien Nord-Ost und eine für Süd-West. Der Prater zählt zu Nord-Ost und dort hat Novomatic nur die Casinos als Konkurrenz. Im Gebiet Süd-West stehen sie mit ihrer Bewerbung für den Böhmischen Prater den Casinos und zwei weiteren Bewerbern gegenüber. Dass Novomatic mit dem weniger attraktiven, weil entlegeneren und kleineren Standort im Böhmischen Prater beide Wiener Lizenzen abräumt, ist eher unwahrscheinlich.
Der Bewerber für das Intercont, Century, ist für Novomatic kein Unbekannter. Thomas Graf, Sohn von Novomatic-Gründer Johann F. Graf ist mit fünf Prozent an der Aktiengesellschaft beteiligt. Bekommt Century den Zuschlag, gehen die Casinos Austria, die in der Kärntner Straße bereits eine Spielstätte betreiben, zwar erstmals bei einer Konzessionsvergabe leer aus; sie würden aber wohl trotzdem aufatmen. Denn wirklich schmerzen würde ihrem Casino Kärntner Straße wegen der größeren Nähe des Palais Schwarzenbergs.
Über die Münze Österreich ist der Staat noch mit über 30 Prozent an den Casinos Austria beteiligt. Würden die Casinos die Konzession selbst bekommen, wäre der teilstaatliche Konzern der ganz große Sieger.
Aus Sicht des Fiskus würde das Projekt Schwarzenberg wohl rascher neue Steuern lukrieren als das "Flamingo Casino" im Intercont. Denn wie das Areal beim Eislaufplatz von Tojner schlussendlich revitalisiert und umgestaltet werden darf, kann noch ein langes Tauziehen mit der Stadt werden.
Kampf um Wien
Die Novomatic hat ein Druckmittel in der Hinterhand, damit für sie ab 2015 zumindest im Prater nicht die blinkenden Melonen ausgehen. Die Lizenzen hunderter Automaten laufen über 2014 hinaus. Der Konzern hat dem Vernehmen nach ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nachweisen soll, dass der Entzug dieser Lizenzen ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit wäre. Abgesehen davon hofft Novomatic, Bürgermeister Michael Häupl und die zuständige Stadträtin Ulli Sima noch von einem Verbot abbringen zu können. Sima war am Freitag für keine Stellungnahme zu erreichen. Häupl und Sima waren zunächst gegen ein Verbot. Doch durch einen Coup der jungen Splittergruppe "Sektion 8" am Wiener Parteitag 2011 stimmte die Basis für ein Verbot. Die "Sektion 8" hat keine Hausmacht, und die Stadt könnte die 60 Millionen Euro aus den Automatensteuern gut gebrauchen.
Andererseits sind die Bedenken vor sozialen Folgen des Automatenspiels vor allem in Arbeiter- und Migrantenbezirken groß. Deswegen beschloss 2012 auch die Bundespartei ein Verbot. Und wie tickt Steßl? "Als Sozialdemokratin stehe ich zu den Beschlüssen des Bundesparteitages." Generell dürfe das Glücksspiel durch ein Verbot aber nicht in die Illegalität gedrängt werden. Was das genau heißt, wird in der SPÖ noch heiß diskutiert werden.