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Die Republikaner im Senat und im Abgeordnetenhaus sind in ihrer Haltung zu Präsident Trump ambivalent - und werden in Zukunft die Hauptarbeit in Sachen Regierung erledigen.
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Washington. Das Treffen der "Freiheitskämpfer" wurde bis zuletzt streng geheim gehalten - die Führung sollte erst dann davon erfahren, wenn eine Entscheidung gefallen war. Vergangenen Mittwoch, als die Welt noch nicht aus den Fugen schien, trafen sich in einem Hauptstadthotel die Mitglieder des sogenannten "Freedom Caucus", um über die Zukunft nach der Wahl zu reden. Ganz oben auf der Agenda standen zwei Themen, von denen das erste schnell abgehakt war: über eine Zusammenarbeit mit einer Präsidentin Clinton brauchte man gar nicht erst diskutieren.
Das zweite war das wichtigere: Wem sollten die Mitglieder der konservativsten aller konservativen Fraktionen bei der bald anstehenden Wahl zum Sprecher des Abgeordnetenhauses ihre Stimme geben? Sollen sie einen eigenen Kandidaten aufstellen? Oder doch Paul Ryan unterstützen, der aus ihrer Sicht zwar viel zu weich, aber zumindest eine verlässliche Größe ist?
Am Ende des Meetings stand ein Kompromiss. Man werde sich mit Ryan arrangieren - aber nur dann, wenn der zustimmt, mindestens ein Mitglied in die interne Führungsriege der Republikanischen Partei im Kongress aufzunehmen, und wenn es sich dabei um einen Frühstücksdirektorenposten handelt.
Auch wenn sich manche Mitglieder weiter dafür aussprachen, die in den vergangenen sechs Jahren in puncto Regierung wie innerparteilich erprobte totale Obstruktionspolitik fortzusetzen, war man sich doch darob einig, dass es für eine richtige Revolution noch zu früh sei; immerhin stellt der "Freedom Caucus" im Repräsentantenhaus nur 42 von bisher 435 Abgeordneten - stark, aber nicht stark genug, um die Geschicke der Partei zu bestimmen.
Frohgemut ging man auseinander und stellte sich auf weitere vier Jahre ein, in denen man jedes einzelne Gesetz, das aus dem Weißen Haus oder vom moderaten Flügel der Partei kam, konsequent niederstimmte. So weit, so schlimm - aber kalkulierbar: Seit die sogenannte Tea-Party-Bewegung erstmals im Jahr 2010 und seitdem in regelmäßigen Abständen dutzende frischgebackene Politiker nach Washington spült, die keinerlei inhaltliche Kompetenzen haben, aber den Leuten in ihren Wahlkreisen versprechen, ihren Zorn in die Hauptstadt zu tragen, haben sie sich dort gut eingelebt. Die Feindbilder des "Freedom Caucus" sind klar definiert: jeder, der für Gesetze stimmt, die nicht ihrem erzkonservativen Weltbild entsprechen, ungeachtet dessen, ob es sich um einen Parteifreund oder -feind handelt.
Keine Ausreden mehr
Damit fuhren sie bisher gut, auch weil sie für die Konsequenzen ihres Handelns stets entweder Barack Obama oder das republikanische Establishment verantwortlich machen konnten.Sicher, seit am Dienstag die Welt einstürzte und jetzt wieder neu zusammengesetzt werden muss, ist die Welt für alle komplizierter geworden - aber vielleicht für niemanden schwieriger als für die Leute, die ab sofort keinerlei Ausreden mehr für ihre Verhinderungswahn haben, weil ihre Partei jetzt nicht nur beide Kammern des Kongresses, sondern auch das Weiße Haus kontrolliert.
Präsident Donald Trump und der republikanische Kongress: Das wird eine der interessantesten Paarungen, die die Vereinigten Staaten von Amerika je gesehen haben. Bis Anfang kommender Woche wird geklärt, mit wem es der 70-Jährige im Senat und im Abgeordnetenhaus zu tun bekommen wird. Und so sehr die Konservativen noch im Siegesrausch der Wahlnacht schwelgen, zeichnen sich hinter den Kulissen schon jetzt bemerkenswerte Konflikte ab, die weniger politischer als persönlicher Natur sind.
Während Mitch McConnells Machtposition als Chef der Mehrheitsfraktion im Senat de facto in Zement gegossen ist, weiß derzeit niemand, wie sich die bis Dienstag offen gezeigte Aversion Trumps gegen Paul Ryan auswirken wird. So sehr sich der frisch gewählte Präsident seit Dienstag Mühe gibt, so "presidential" wie möglich zu erscheinen, so berüchtigt ist er für seine Rachegelüste; und mit Ausnahme seiner alten Gegnerin Hillary Clinton hatte Trump im Laufe des Wahlkampfs keinen anderen Politiker derart auf dem Kieker wie den Mann aus Wisconsin, der nicht nur als das zweite Machtzentrum, sondern auch als das intellektuelle Aushängeschild der Republikaner gilt.
Wenig Alternativen
Bis vor kurzem noch beschimpfte Trump ihn auf Twitter als "Mann des Establishments", dem weniger am Wohlergehen der amerikanischen Bevölkerung als seiner eigenen Karriere gelegen sei. Glaubt man den Berichten von Ryans engsten Mitarbeitern, habe ihn das getroffen - aber nachdem er ebenso wenig wie der Rest der Welt ernsthaft daran glaubte, dass Trump am Ende gewinnt, war er bis zuletzt bei seiner Wahlempfehlung für den New Yorker Immobilienmagnaten und Ex-Reality-TV-Star geblieben. Was jetzt?
Fast alles spricht dafür, dass der totale Sieg der Konservativen vom Dienstag den internen Scherbenhaufen überdecken wird - und McConnell und Ryan, der sich mangels schnell verfügbarer Alternativen auf seinem Posten relativ sicher fühlen darf, den Hauptteil an Regierungsarbeit schupfen werden.
Wenn es eines gibt, in dem sich Freund und Feind in der Beurteilung der orangen "Black Box" Trump einig sind, dann darin, dass er sich nicht für Details interessiert. McConnell und Ryan dagegen gelten nicht nur als macht- sondern auch detailversessen.
So bleibt am Ende als einzige große Frage, inwieweit Donald Trump wirklich bereit ist, mit den Leuten zusammen zu arbeiten, die er bis Montag noch als Marionetten stigmatisiert hat, denen seine "Bewegung" den Garaus machen würde, sobald er im Oval Office Platz nimmt.
Obwohl sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keinerlei definitive Aussagen treffen lassen, lautet der wahrscheinlichste Ausgang des Duells so: McConnell und Ryan bekommen nicht nur ihre Fraktionen, sondern auch ihren Präsidenten in den Griff. Sie machen die Politik, während Trump sie verkauft.