Die Zeit drängt in der Frage der Restitution und Entschädigung von NS-Opfern, erklärte der US-Anwalt Ed Fagan Montagabend vor zahlreichem Publikum der Jüdischen Gemeinde in Wien auf Einladung der B´nai B´rith Maimonides Loge.
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"Warum steht niemand von Ihnen auf und erhebt seine Stimme, so dass sie auch gehört wird", donnerte Fagan. "Aber Sie müssen vorsichtig sein, denn Sie leben in Österreich, und das ist keine judenfreundliche Demokratie."
Der bekennende Jude - "ich bin nicht mehr religiös" - vertritt die US-amerikanischen NS-Opfer. "Manche mögen mich nicht in Österreich. Aber ich glaube, das heißt, ich mache meinen Job gut." Die von Fagan angekündigten Klagen gegen deutsche, österreichische und Schweizer Geldinstitute waren 1998 ausschlaggebend dafür, dass die österreichische Regierung - nach bis dahin vergeblicher Forderung der jüdischen Vertreter - die Historikerkommission einsetzte. Ihre Arbeitsergebnisse sind Grundlage für die Restitutions- und Zwangsarbeiterfrage.
In Österreich sei man noch nie zuvor so nah an einer Lösung gewesen. Fagan sieht "ein kleines Fenster" offen. Und bis zu den Präsidentenwahlen in den USA im November sollte es eine Lösung geben. Denn wer immer Bill Clinton im Amt nachfolgen werde, George Bush oder Al Gore, der US-Unterhändler und Vize-Finanzminister Stuart Eizenstat werde nicht mehr in der neuen Regierung sitzen. Eizenstat hatte mit der österreichischen Regierungsbeauftragten, Maria Schaumayer, die "Entschädigung" von NS-Zwangsarbeitern ausverhandelt.
Auf eine "Entschuldigung" brauchten sie erst gar nicht zu warten, so Fagan zu den versammelten Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde. "Wenn die Regierung zahlen muss, dann ist das die Entschuldigung." Einstweilen will der Anwalt - mit dem sich Ariel Muzikant, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), nicht immer einer Meinung wähnt - der österreichischen Regierung nicht trauen. Und zwar "so lange sie kein Geld auf den Tisch legt", kritisierte Fagan, dass die Dotierung von sechs Mrd. Schilling des Versöhnungsfonds noch nicht gesichert sei.
Niemand von den Betroffenen werde je den tatsächlichen Wert seines Vermögens zurück bekommen, sondern "wir werden Peanuts bekommen", glaubt Fagan. Dennoch: "Trotz Antisemitismus" müssten die Forderungen an die Regierung gestellt werden - im Bewusstsein, zu einem Ende zu kommen, so lange die Betroffenen noch etwas davon haben.
Welche Haltung die Jüdische Gemeinde gegenüber der Republik Österreich einnehmen soll, wird Ende Juli, Anfang August im "International Steering Committee" (bestehend aus den jüdischen Organisationen wie Jüdischer Weltkongress, Zentralrat der österreichischen Juden in Israel und IKG) beraten, kündigte Ariel Muzikant an. Denn "die Shoah war das größte Verbrechen an der Menschheit. Das begann mit der Arisierung, und die Vergasung war der letzte Akt der Vernichtung der Juden." Und, so Muzikant, "wenn das so ist, dass die Arisierung ein Teil davon war, dann gibt es auch keine Verjährung. Dann wären die sieben Restitutionsgesetze hinterfotzig und ein unlauterer Versuch der Zweiten Republik, sich aus der Verantwortung zu stehlen."