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"Sie sind einfach reinmarschiert"

Von Bettina Figl

Wissen

Jahrestag der Befreiung von 7000 Auschwitz-Überlebenden.


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Wien. "Einmal waren zwei kleine Kinder so in ihr Spiel vertieft, dass sie sich absolut nicht von ihrer Mutter wegreißen lassen wollten. Selbst die Juden des Sonderkommandos wollten die Kinder nicht aufnehmen. Den um Erbarmen flehenden Blick der Mutter, die bestimmt wusste, was geschieht, werde ich nie vergessen. Die in der Kammer wurden schon unruhig - ich musste handeln. Alles sah auf mich - ich gab dem diensthabenden Unterführer einen Wink, und er nahm die sich heftig sträubenden Kinder auf die Arme und brachte sie mit der herzzerbrechend weinenden Mutter in die Kammer." Diese Zeilen stammen von Rudolf Höß, einst Lagerkommandant im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz.

Er beschreibt die Massenmorde in seiner - kritisch zu lesenden - Autobiografie, die er nach dem Krieg im polnischen Gefängnis verfasst hat. Genutzt hat ihm das vermeintliche Mitleid für seine Opfer wenig; am 16. April 1947 wurde er auf dem Gelände des KZ öffentlich hingerichtet.

Exakt 67 Jahre ist es her, dass die rund 7000 Überlebenden in Auschwitz durch die Rote Armee befreit wurden. Wobei man sich den Einmarsch der späteren Besatzungsmacht nicht als spektakulären Befreiungskampf vorstellen darf, schließlich wirkte das riesige Areal zu der Zeit fast menschenleer: "Das Lager war wie eine große Stadt. Die Soldaten sind einfach reinmarschiert und haben Leichen und schwer kranke Überlebende vorgefunden", so Historiker Bertrand Perz zur "Wiener Zeitung".

Während der Befreiung war der Großteil der Häftlinge und die SS-Wachen bereits Richtung Westen unterwegs: Von 60.000 überlebten 9000 bis 15.000 Menschen diese Todesmärsche nicht. Wer zu schwach war um zu gehen, wurde von den SS-Männern erschossen.

Die zurückgebliebenen Häftlinge waren zu schwach, um die Lager zu verlassen - und angesichts der kalten Jahreszeit war der Verbleib in den Baracken das Beste, was sie machen konnten, so Perz. Er erklärt: Ein "erheblicher Prozentsatz" der Überlebenden starb, nachdem sie befreit wurden.

1,1 Millionen ermordete Menschen in Auschwitz

Auschwitz gilt heute als Symbol für den Holocaust- hier wurden 1,1 Millionen Menschen ermordet - eine Zahl, die "ziemlich genau hinkommt", sagt Perz. Exakte Opferzahlen gibt es für Auschwitz nicht, da es über jene, die sofort nach ihrer Ankunft umgebracht wurden, keine Aufzeichnungen gibt. Die Zahl derer, die sofort in die Gaskammern geschickt oder erschossen wurden, wird auf 900.000 Menschen geschätzt. Weitere 200.000 Menschen starben später an Unterernährung, Misshandlungen, medizinischen Versuchen oder späterer Vergasung. Damit wurde rund ein Sechstel der insgesamt rund sechs Millionen Holocaust-Opfer in einem der drei Auschwitz-Lager ermordet - und 90 Prozent davon waren Juden.

1940 wurde nahe der polnischen Stadt Oswiecim (Auschwitz) auf Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler mit der Umgestaltung der dort vorhandenen Kasernen zum KZ Auschwitz begonnen. Die Bewohner der umliegenden Ortschaften wurden zwangsweise umgesiedelt.

Ein Jahr später wurde in Brzezinka (Birkenau) auf Himmlers Befehl mit der Errichtung des zweiten Teiles des Lagers (Auschwitz-Birkenau) begonnen, der ursprünglich der Aufnahme von sowjetischen Kriegsgefangenen dienen sollte. Stattdessen war Birkenau ab dem Frühjahr 1942 Schauplatz des Massenmordes.

Die damit verbundenen Arbeiten - wie die Entleerung der Gaskammern oder die Entfernung von Haaren und Goldzähnen der Leichen - wurden von den Häftlingen des Sonderkommandos verrichtet, die zum Großteil selbst nach einiger Zeit in den Gaskammern ermordet wurden.

Viele Teile der beiden KZ wurden erhalten - obwohl die SS versucht hatte, etwa durch Sprengung der Krematorien und Gaskammern Beweise für den Massenmord zu vernichten. Und bis heute prangt über dem Eingangstor der zynische Schriftzug "Arbeit macht frei".