Auch in Österreich wackeln bis zu 1000 Arbeitsplätze
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Wien/Linz. Bereits zum fünften Mal in seiner sechsjährigen Amtszeit musste Siemens-Chef Peter Löscher jüngst die Gewinnprognose kappen und die Kostenschraube noch schärfer anziehen. Hatte es zunächst danach ausgesehen, dass das Ende vergangenen Jahres angekündigte Sparpaket vor allem Stellenkürzungen in Deutschland bringen würde und die Österreich-Tochter - die fürs abgelaufene Geschäftsjahr übrigens neuerlich 750 Millionen Euro Gewinn an die Münchner Mutter überwies - weitgehend ungeschoren davonkäme, wackeln jetzt angeblich an die 1000 der insgesamt 12.600 Siemens-Jobs in Wien, Linz und Weiz. Die Betriebsräte beklagen vor allem die "katastrophale Informationspolitik" des Managements.
Hausgemachte Schnitzer - wie die verspätete Zug-Auslieferungen für den neuen deutschen ICE und den Kanaltunnel-Eurostar, der missratene Anschluss von Windparks in der Nordsee und der Vollausfall des Solargeschäfts - und die Industrieflaute zwangen Siemens zur Aufgabe der Jahresziele. Statt wie geplant bis zu fünf Milliarden Euro mit dem fortgeführten Geschäft zu verdienen, sei im Geschäftsjahr 2012/13 (per Ende September) allenfalls noch ein Gewinn von 4,5 Milliarden Euro drin, räumte Löscher nach dem ersten Geschäftshalbjahr ein. Neben den internen Problemen, die Siemens allein im vergangenen Quartal mit 370 Millionen Euro belasteten, bereitet dem Konzern vor allem die schwache Industriekonjunktur Kopfzerbrechen: Das Geschäft mit Fabrikausrüstung laufe sowohl in China als auch in den USA nicht so wie erhofft, sagte Löscher. In Europa herrsche sowieso Rezession. Erholung im weiteren Jahresverlauf sei kaum in Sicht.
Um bis Ende des kommenden Geschäftsjahres 2013/14 auf die angepeilte Rendite von mindestens zwölf Prozent zu kommen, verschärft Löscher den Sparkurs noch einmal. Statt sechs Milliarden Euro will er nun 300 Millionen Euro mehr herausholen. Wie viele Stellen seinen umstrittenen Sparplänen zum Opfer fallen, will Löscher nach wie vor erst im Herbst sagen - auch in Österreich ist vonseiten des Managements nichts Konkretes zu hören.
Auch die Betriebsräte wissen nicht Genaues. "Wir sprechen uns dezidiert gegen das Kaputtsparen aus", hieß es in einer bei einer Betriebsversammlung des Standortes Wien-21 Ende April verabschiedeten Resolution. Der Vorsitzende des dortigen Angestellten-Betriebsrats, Wolfgang Springer, sieht "weit mehr als die zuletzt kolportierten 300 Jobs in Wien" bedroht. Das Gewinnziel "muss nicht in Stein gemeißelt sein, man muss nicht jedes utopische Ziel erreichen." Und: "Mit Mitarbeiterabbau kann man sich nicht für die globale Zukunft rüsten" - damit gehe Know-how verloren, verunsicherte Kollegen gingen zur Konkurrenz. Im riesigen Siemens-Konzern - weltweit werden 370.000 Menschen beschäftigt - müssten die einzelnen Einheiten mehr regionalen Handlungsspielraum bekommen.
400 Jobs in Linz weg?
Beim Industrieanlagenbauer Siemens VAI in Linz - wo angeblich 250 Mitarbeiter aus der Stammbelegschaft und 150 Leihkräfte bis Jahresende gehen sollen - ging der Betriebsrat am Freitag mit einem offenen Brief an die Belegschaft in die Offensive: Vorstandschef Wolfgang Auer wird für Montag zu einer Betriebsratssitzung eingeladen. "Wir werden unseren Unmut äußern und einen Sozialplan fordern", erklärte Betriebsratschef Gerhard Bayer.
Beim Siemens-Standort Weiz wackeln ebenfalls Arbeitsplätze: Laut "Standard" soll der Personalstand im steirischen Werk bis 2015 von derzeit 1200 auf rund 970 sinken, allein heuer sollen 100 Jobs - vor allem von Leiharbeitern - gestrichen werden. Betriebsrat Johann Kreimer bestätige auf Anfrage die Überlegungen des Managements, er hofft aber noch auf eine Abschwächung der Pläne: "Schauen wir einmal, wie die Aufträge hereinkommen."