Zum Hauptinhalt springen

Sie täten mir abgehen, die Weaner Sprüch...

Von Martin Haidinger

Gastkommentare

Dass typische Wiener Ausdrücke und Redewendungen zwischen den markanten Stätten volkstümlicher Sprachbildung, nämlich zwischen Heu- und Nasch-markt, verlorengehen, ist eine Tatsache, die einen wehmütig stimmen mag; trotzdem blitzt zwischendurch Hoffnung auf...


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als ich früher hin und wieder die Catcher am Heumarkt bestaunte, war das bodenständige Publikum meist interessanter als die akrobatischen Würgegriffe und Wurfattacken von Otto Wanz und Co selbst. Denn in den Reihen der Zuschauer brach sich wuchtiger als am Fußballplatz jenes Phänomen Bahn, das man einmal das "Goldene Wienerherz" genannt hat. "Sauf eahm es Aug aus!" riefen die Fans ihrem favorisierten Ringer zu, oder - weit kreativer: "Beiß eahm a Stiagn ins Gnack!"

Das ist viele Jahre her, und seit das Catchen auf dem Traditionsboden zunächst abgeschafft und später auf ein jährliches Gastspiel minimalisiert wurde, ists auch mit diesem Hort an Wort- und Begriffsschöpfungen vorbei. Bleibt noch die zweite Bildungsstätte: der Naschmarkt, dieses Amalgam von Käuzen und Charakteren, die gewesene Heimat von Altstandlern und Lavendelweibern, und nicht zu vergessen der legendären "Schmauswaberl", jener Art von Wirtin, der man bekanntlich alles erzählen konnte...

Wie staunte da mein Freund, der Mediziner aus Tirol, da er vor ein paar Monaten Ohrenzeuge wurde, als dortselbst ein Marktbesucher auf einen Bekannten traf und diesem stolz seinen neuen Hund präsentierte! Der Angesprochene sah mit sanfter Rührung auf den Vierbeiner hinab und bemerkte mit perfidem Tremolo in der Stimme: "Servas Gulasch. Sei froh, dass i scho abendgessen hab!"

Dass die Weaner Sprüch noch am Leben sind, durfte auch jener gutgekleidete Herr erfahren, der unlängst in den frühen Morgenstunden im auch nachts geöffneten Speiselokal "Gräfin am Naschmarkt" das teuerste Gericht bestellte, ein Pfeffersteak. Der freundliche Ober brachte ein Stück Fleisch, das aus knorpeligen Flachsen bestand und daher ungenießbar war. Der Gast protestierte natürlich, doch das sogenannte "Steak" wurde nicht durch ein echtes ersetzt. Stattdessen löste sich aus dem Halbdunkel der Bar die finstere Gestalt eines Aufpassers, wohl eine Art Geschäftsführer, und brummte dem Ober zu, so dass es der Gast hören konnte: "Loss eahm gehn! Dea Herr passt eh besser zu an Würschtelstand!"

Kleine, feine Liebenswürdigkeiten lauteren Wienertums empfangen zu dürfen ist doch ein paar Flachsen allemal wert, oder? Der Charme des Naschmarkts und seiner Anrainer ist also noch nicht ganz dahin. Das Würschtl am gleichnamigen Stand hat dem geschmähten Gast in jener Nacht übrigens hervorragend geschmeckt...

Martin Haidinger ist Journalist in Wien.