Für manche Politiker wird Wahlkampf zu einer persönlichen Angelegenheit.
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Salzburg. Für manche ist es der langweiligste Wahlkampf aller Zeiten, für andere ist dieser
Wahlkampf wie alle zuvor. Feststeht, dass es sich um einen besonderen Wahlkampf handelt. Denn diesmal haben die Kandidaten für den ationalrat mittels Vorzugsstimmen mehr Möglichkeiten, ihren Wahlerfolg selbst in die Hand zu nehmen. Und das hat auch Einfluss auf den allgegenwärtigen Stimmenfang auf der Straße.
"Grüß Gott, Johann Maier, Nationalratsabgeordneter. Ich kämpfe um jede Vorzugsstimme!" So tritt der SPÖ-Abgeordnete und Kandidat Johann Maier Passanten entgegen, wenn er dieser Tage in Salzburg die letzten Stationen seines Persönlichkeitswahlkampfs absolviert. Maier, 61, ist ein echtes Urgestein im Parlament. Seit 1996 ist er mit zwei kurzen Unterbrechungen Abgeordneter, regelmäßig zählte er zu den aktivsten Abgeordneten bei parlamentarischen Anfragen.
Diese Umtriebigkeit hat ihn bekannt gemacht. Bei einer Wahlkampftour durch die Linzer Gasse, eine Salzburger Einkaufsstraße, trifft Maier in Begleitung der "Wiener Zeitung" mehrere Bekannte, zahlreiche Passanten erkennen den Stadt-Salzburger. Das ist nicht immer nur angenehm.
Von hinten nähert sich ein Mann dem Wahlkampftross. "Herr Maier, ich möchte Sie etwas fragen", sagt er freundlich. Arbeitsplätze seien ein zentrales Thema der SPÖ-Kampagne, "aber warum schafft es die SPÖ dann nicht einmal, die eigenen Arbeitsplätze zu halten", fragt der Mann mit dem abgewetzten Pulloverkragen. Er verweist auf Konsum, Arbö und Bawag, allesamt Pleiten und Skandale im SPÖ-Umfeld. Maier muss etwas ausholen, argumentiert sich dann aber mithilfe seines Fundus an Anfragen aus der Defensive. Die Empörung seines Gegenübers, eines selbständigen Goldschmieds, kann Maier auf andere Themen lenken. Beim Thema Pensionen endet das Gespräch dann. Freundlich, aber ohne Übereinstimmung.
7200 Stimmen nötig
Inhaltliche Diskussionen kämen regelmäßig vor, sagt Maier. Allein vom vergangenen Wochenende warten noch sieben Anliegen auf eine genauere Bearbeitung. Alle von potenziellen Wählern, die mit "konkreten Problemen" zu ihm gekommen seien. Auf der Schranne, dem beliebten Salzburger Wochenmarkt, würden die Leute donnerstags Schlange stehen, um mit ihm zu sprechen, erzählt er.
Um über die Salzburger Landesliste in den Nationalrat zu kommen, braucht er rund 7200 Vorzugsstimmen. Vor fünf Jahren bekam er ohne spezifischen Wahlkampf 5400 Vorzugsstimmen, sein Ziel ist also erreichbar. Bloß die Tatsache, dass die Wähler seinen Namen auf den Wahlzettel schreiben müssen und nicht bloß ankreuzen, bereitet Maier Sorgen. Deshalb hat er einen eigenen Slogan entwickelt: "Maier schreiben, Maier wählen", verbreitet er auf Plakaten, Aufklebern, in Foldern und Mailings. Rund 3000 Euro steuert er selbst zum Budget bei, den Großteil übernimmt die SPÖ-Bezirkspartei Salzburg Stadt.
Maier muss nicht um Vorzugsstimmen kämpfen, weil er bei der Partei in Ungnade gefallen ist, sondern weil die SPÖ schwächelt. Mehrmals kam er als Drittgereihter auf der Landesliste locker in den Nationalrat, nun braucht Maier aus derselben Position einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf.
Doch der Einzug in den Nationalrat ist nicht Ziel jedes Vorzugsstimmen-Wahlkampfs. Am selben Tag ist auch Norbert Holzhauser in der Stadt auf Wahlkampftour unterwegs. Er kandidiert für die ÖVP und kämpft ebenfalls um Vorzugsstimmen. Dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit dem nächsten Nationalrat nicht angehören wird, ist dem 26-jährigen Studenten bewusst, für Holzhauser geht es um andere Ziele.
Er sieht sich am Beginn seiner Politkarriere, möchte Erfahrung sammeln und seine Themen unter die Leute bringen. Einen Politikverdrossenen bringt er an diesem Abend immerhin dazu, sich das mit dem Wählen noch einmal zu überlegen. Holzhausers Budget ist bedeutend geringer als das von Maier, er investiert einen dreistelligen Betrag in Internet-Werbung, von der jungen Volkspartei in Salzburg bekam er Flyer gesponsert. Denn Holzhauser kandidiert nicht nur für die ÖVP, sondern vor allem für die JVP und das "Team Kurz" von Integrationsstaatssekretär und JVP-Obmann Sebastian Kurz.
Wunsch nach mehr Einfluss
Dieses Team umfasst rund 100 Kandidaten in ganz Österreich, die für die JVP auf ÖVP-Listen stehen und einen einheitlichen Wahlkampf bestreiten. Um Vorzugsstimmen zu kämpfen, ist ein Teil davon. "Mein Hauptthema ist, das Persönlichkeitswahlrecht zu stärken", sagt Holzhauser. "Ich denke schon weiter: Vorzugsstimmen sollen einen viel stärkeren Einfluss auf das Wahlergebnis bekommen."
Zumindest in diesem Punkt überschneidet sich sein Wahlkampf mit jenem von Johann Maier. "Ich glaube, dass es in Zukunft noch mehr auf ein Persönlichkeitswahlrecht gehen wird", sagt Maier, dessen Schwerpunkte im Nationalrat Konsumentenschutz und Justizpolitik sind. "Es wird in diese Richtung gehen müssen, weil es die Bevölkerung fordert." Dass diese Form die einzelnen Kandidaten mehr fordert, ist für ihn unbestritten.
Zahlreiche Wahlkämpfe hat Maier schon bestritten, der aktuelle ist der bisher anstrengendste. "Ich habe noch keinen Wahlkampf so intensiv geführt wie diesen", sagt Maier. Warum er es nach 17 Jahren im Parlament trotzdem macht? "Ich will noch ein paar Dinge erledigen."
Wissen: Vorzugsstimmen
Bei der Nationalratswahl 2013 können erstmals Vorzugsstimmen auf Bundesebene, dazu wie bisher je eine auf Landes- und Wahlkreisebene vergeben werden. Allerdings müssen die angegebenen Personen jener Partei angehören, die angekreuzt wurde, andernfalls ist der Stimmzettel ungültig.
Die Vorzugsstimme kann für jeden Kandidaten vergeben werden, der auf den in der Wahlkabine aufgehängten Listen vermerkt ist.
Im Landeswahlkreis sind jetzt zehn Prozent der Parteistimmen für eine Vorreihung nötig, im Regionalwahlkreis 14 Prozent, im ab 1994 gültigen alten Gesetz waren diese Hürden etwas höher. Für die Bundeslisten wurde der Wert mit sieben Prozent der gültigen Stimmen einer Partei angesetzt. Vor fünf Jahren wären das zwischen 35.696 (Grüne) und 100.114 (SPÖ) Stimmen gewesen.
Beim Werben um Vorzugsstimmen ist aber nicht immer die Vorreihung das Motiv, wie bei Johann Maier (siehe Artikel), oder dem auf Rang 12 gereihten ÖVP-Behindertensprecher, Franz Joseph Huainigg und dem grünen Sozialsprecher Karl Öllinger, der in Wien den unsicheren Platz sechs einnimmt.
Von bisher 86 erfolgreichen Vorzugsstimmen-Wahlkämpfern waren 80 auch Spitzenkandidaten im jeweiligen Wahlkreis. Sie hoffen durch die Personalisierung auf eine Wähler-Mobilisierung.
Der budgetäre Spielraum für die Wahlkämpfer in eigener Sache ist recht eng: Die neue Wahlkampfkostenbegrenzung gesteht den Parteien nur einen Freibetrag von 15.000 Euro pro Kandidat zu, darüber hinausgehende Beträge werden der Gesamtpartei von ihren sieben Millionen Euro abgezogen.
Im bis 1994 gültigen System hat nur Josef Cap einen erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf geführt, danach errang Gerhart Bruckmann mithilfe des ÖVP-Seniorenbundes 1999 ein Mandat in Wien gegen Maria Rauch-Kallert, 2002 brachte der burgenländische Landwirt Franz Glaser den ÖAABler Paul Kiss mit seinen Vorzugsstimmen um die Wiederwahl.