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Es vergeht kein Tag, an dem nicht Horrorbilder aus dem Irak über Fernsehen und Presse die Welt erreichen. Nach den Folterbildern aus dem Bagdader Gefängnis Abu Ghraib, die nicht nur dem amerikanischen Präsidenten den Magen umdrehten, sehen wir fassungslos ein Video, in dem ein junger Amerikaner, der wirklich zur falschen Zeit am falschen Ort war, von Kapuzenmännern brutal geköpft wird. Angeblich um die in Abu Ghraib schwer misshandelten irakischen Gefangenen zu rächen. Nick Bergs "Schuld" für seine Henker bestand darin, Amerikaner zu sein, so wie die "Schuld" der Folteropfer darin bestand, Iraker zu sein.
In einem Krieg, der angeblich auch deshalb geführt wurde, um die von Saddam Hussein mit Füssen getretenen Menschenrechte im Irak wieder herzustellen, erleben wir Tag für Tag den Sieg der Barbarei.
Und wie wir aus den Diskussionen in Amerika, ob alle Fotos und Videos veröffentlicht werden sollen oder nicht, wissen, ist bisher nur ein kleiner Teil jenes Materials bekannt, in dem die Verletztung jeglicher Menschenwürde dokumentiert ist. So wie man bis heute nicht weiß, wie viele zivile Opfer der Irak-Krieg wirklich gefordert hat.
Die Barbarei dieses Krieges begann vor nunmehr 14 Monaten, als die ersten Bomben auf Bagdad fielen und außer den Palästen Saddams Märkte und Wohnviertel verwüsteten. Mit dem zynischen Wort "Kollateralschäden" wurden die Opfer dieser Angriffe beschrieben.
Schon vor Beginn des Krieges hatten besonnene Politiker gewarnt, dass die Situation im Irak nicht mit dem Sturz des Saddam-Regimes bereinigt, dass eine Welle von Terror die Folge sein werde. Die schlimmsten Voraussagen haben sich in dem Jahr, seit Präsident Bush auf einem Kriegsschiff verkündete hatte, dass die "Aktion beendet" sei, bewahrheitet. So wie die Lüge über Saddams Massenvernichtungswaffen zusammengebrochen ist, so ist auch der Anspruch, dem Irak die Menschenrechte zu sichern nach den Fotos aus Abu Ghraib zu einem Lippenbekenntnis degradiert worden. Und es steht zu befürchten, dass es im Irak nur einen Sieger gibt: unfassbare Barbarei.