Jiang Zemins, des chinesischen Staats- und Parteichefs, sehnlichster Wunsch war es, einmal auf George W. Bushs texanische Ranch eingeladen zu werden. Um seiner Erfüllung willen wurde der 16. Volkskongress der KPCh vom Sommer auf diesen November verschoben. Nachfolger Hu Jintao muss noch bis Freitag warten, dann übergibt ihm Jiang mit dem Amt auch eine Großmacht, die mit zuletzt sehr freundlicher Politik gegenüber den USA zugleich deren größte Herausfordererin werden möchte und werden wird, zumindest wirtschaftlich.
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Dabei kann es den Chinesen nicht leichtgefallen sein, der UNO-Resolution 1441 zum Irak, die wohl einen Krieg gegen diesen wichtigen Öllieferanten Pekings nach sich ziehen wird, zuzustimmen. Mit wachsender Wirtschaft (allein knapp 8 Prozent im 1. Halbjahr 2002) ist China von Ölimporten aus der Golfregion immer abhängiger geworden. In einem Jahrzehnt wird das Milliardenvolk die Hälfte seines Ölbedarfs einführen müssen. Zudem scheint China von amerikatreuen Staaten und US-Militärpräsenzen immer dichter umzingelt - bis auf Nordkorea, das Peking unterdessen selber Angst macht. Jedenfalls ist Jiang, was Pjöngjangs Atomprogramm betrifft, beim APEC-Gipfel in Mexiko auf Bushs Linie eingeschwenkt.
Unabhängigkeit und Souveränität ist Chinas Credo seit den traumatischen Erfahrungen der Kolonialzeit - die offizielle Parole dafür lautet "multipolare Welt". Drum ermuntert Peking auch Europa zu mehr Eigenständigkeit. Und natürlich auch zu mehr Investitionen. Das Verhältnis zu Russland ist indes zwiespältig geblieben; in den amerikanischen "Kampf gegen den Terror" sind beide Staaten aus unterschiedlichen Motiven eingetreten.
Doch auch hier konnte China zusätzlichen Kredit gewinnen: Für seine Zurückhaltung gegenüber der Irak-Politik der USA haben diese eine unliebsame Uigurenorganisation auf die Terrorliste gesetzt. Fehlte nur noch Tibets Dalai Lama.
Genau dies, neben der ewig brennenden Taiwanfrage, scheint Pekings große Sorge zu sein: Separatismus, wirkliche oder angebliche Geheimbündelei, soziale Unruhen könnten die Macht der Kommunisten gefährden. Je reicher das Land nach innen und je stärker es nach außen ist, desto eiserner hat es die KP im Griff. Bürgerlicher Wohlstand muss nicht, wie es westliche Annahme ist, Demokratisierung bedeuten. Der Eintritt vieler Unternehmer in die Partei zeigt einen anderen Weg auf. Fragt sich nur, ob die Rechnung aufgeht.