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Sieg nach 36 Jahren

Von Peter Bochskanl

Politik

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Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist es nach einem perfekten Wahlkampf gelungen, mit einem Erdrutschsieg die Österreichische Volkspartei nach 36 Jahren wieder zur stimmen- und mandatsstärksten Partei zu machen. Mit Zähigkeit und Hartnäckigkeit hat er Rückschläge und Angriffe weggesteckt und mit seinem politischen Talent gewuchert. Von einer Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wurde nicht nur sein kluges Auftreten in der Öffentlichkeit und seine mutige Entscheidung für Neuwahlen, sondern auch die Beendigung der ungeliebten großen Koalition und seine Erfolgsbilanz (vom Stopp des Schuldenmachens bis zur Abfertigung neu) honoriert, die teilweise auch in Zusammenarbeit mit allen Sozialpartnern zustande kam. Ohne große Wahlversprechen konnte er mit Kanzlerkompetenz bei vielen Wählern offensichtlich das Gefühl erwecken, dass Österreich bei ihm in guten Händen ist und auch dort bleiben soll.

Schüssel hat mit der Hereinnahme der Freiheitlichen in die Regierung die erstarrte große Koalition aufgebrochen und die EU-Sanktionen durchgestanden. Als die Regierung an Jörg Haider und seinen Vasallen scheiterte, gelang Schüssel mit der Vorwärtsstrategie in Neuwahlen der erste große Coup, mit der Aufnahme von Karl-Heinz Grasser in sein Team der zweite.

Ein Großteil des ÖVP-Erfolgs geht auf Kosten des bisherigen Koalitionspartners FPÖ. Egal ob es die Absicht des ÖVP-Obmannes war oder nicht: Der Effekt einer Reduzierung des FPÖ-Populismus auf ein für die Demokratie erträgliches Maß ist jedenfalls gegeben. Ob die FPÖ in der nächsten Legislaturperiode einen tragbaren Regierungspartner abgeben kann, wird entscheidend davon abhängen, ob sie sich von der radikalen Oppositionspolitik Haiders lösen und zu einer vernünftigen und verlässlichen Partei emanzipieren kann.

Alfred Gusenbauer konnte mit seiner in den letzten Wahlkampfwochen offensiven Strategie punkten, auch seine Quereinsteiger blieben nicht ohne Wirkung. Andererseits hatte er mit kontraproduktiven Sagern aus den eigenen Reihen, wie etwa von Androsch, zu kämpfen, aber auch damit, dass sein Parteifreund Gerhard Schröder das von ÖVP und FPÖ beschworene rot-grüne Schreckgespenst doch zu recht realem Leben erweckte. Obwohl die SPÖ zulegen konnte, blieb sie weit von ihrem Wahlziel entfernt, stärkste Partei zu bleiben.

Aber nicht nur die FPÖ geriet in den Sog der Großparteien, obwohl sich "Einspringer" Herbert Haupt redlich bemühte, das durch Sprengen der Regierung, durch Rücktritte und Haider-Sprüche verlorene Terrain zurückzuerobern - aber das vielleicht doch zu sehr im Kielwasser seines Mentors. Auch die Grünen bekamen den vor einigen Wochen einsetzenden Trend zu spüren. Alexander van der Bellen brachte sein seriöses Image und das grüne Programm relativ gut über die Rampe der politischen und medialen Bühne, wobei Themen wie etwa der Cannabis-Freigabe oder sein doch sehr direkter Marsch in Richtung rot-grüne Regierung dem erwarteten Erfolg hinderlich waren. Möglicherweise war auch sein massives Einfordern einer gemeinsamen Regierung beim Wunschpartner SPÖ nicht gerade das, was potentielle Grün-Wähler von ihm erwartet haben.