Es war ein knapper Sieg, mit dem Boris Tadic acht Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic dessen ehemaligen Koalitionspartner Tomislav Nikolic noch einmal von der Rückkehr zur Macht fernhalten konnte. Tadic siegte mit einer Botschaft, die eine europäische Zukunft verhieß, während Nikolic die Präsidentenwahl zu einer Abstimmung über sieben Jahre Transition in Serbien machen wollte.
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Die Wahl wurde so zu einem doppelten Referendum und hinterlässt eine massiv polarisierte Wählerschaft. Diese Spaltung betrifft jedoch weniger die Frage der außenpolitischen Orientierung des Landes; denn auch die Masse der Wähler der Ultranationalisten sind keine Fanatiker, die den Kosovo mit Zähnen und Klauen gegen die EU verteidigen wollen. Vielmehr sind es Menschen, die von der verheißenen europäischen Integration nichts erwarten, einfach weil sie zu arm sind, um deren Vorteile auf absehbare Zeit genießen zu können.
Die Spaltung Serbiens ist somit eine doppelte; politisch teilt sich die Elite in jene, die am Kosovo-Mythos festhalten, während der andere Teil der EU den Vorzug gibt. Zu ersten Gruppe gehören Tomislav Nikolic und Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Während Nikolic aber noch am Wahlabend gewisse Bereitschaft signalisierte, mit der EU zusammenzuarbeiten, sind derartige Signale von Kostunica nicht zu vernehmen gewesen. Boris Tadic hat somit bestenfalls die halbe Miete gewonnen; Kostunica kann mit den Ultranationalisten im Parlament den EU-Kurs weitgehend blockieren, sofern das überhaupt notwendig sein sollte. Denn Ratko Mladic, dessen Festnahme für die EU lange "Conditio sine qua non" war, braucht von Kostunicas Innenminister und Geheimdienstchef bloß nicht "gefunden" zu werden: Damit wäre die Unterzeichnung des Abkommens über Stabilisierung und Assoziation mit der EU mittelfristig verhindert.
Serbien ist derzeit meilenweit von der EU entfernt, selbst wenn diese Woche das Interimsabkommen mit Brüssel unterzeichnet wird. Finden Kostunica und Tadic keinen gemeinsamen Nenner, so könnte das noch heuer zu vorgezogenen Parlamentswahlen führen. Die zweite Spaltung, die Serbien durchzieht, betrifft Gewinner und Verlierer der Reformen. Die Dominanz von Tycoonen hat einen Art "Räuber-Kapitalismus" entstehen lassen; Monopole, Oligopole und hohe Preise sind die Folge, der Aufschwung verläuft ungleichmäßig, ganze Regionen verarmen, Pensionisten und kinderreiche Familien haben schwer zu kämpfen.
Diese Gruppen vertritt nur Nikolic, der versucht, die Ultranationalisten zu einer Art serbischen HDZ werden zu lassen, die in Kroatien diese Transformation geschafft hat. Das größte Hindernis dabei ist Nikolics Vorsitzender Vojislav Seselj, der sich vor dem Haager Tribunal verantworten muss. Diese Erblast kostete Nikolic wohl auch den Sieg bei der Wahl.