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Sieg und Gefahr

Von Georg Friesenbichler

Politik

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Vor fünf Jahren, am 13. Oktober 1996, hatten die Wähler die Meinungsforschung blamiert: Die darauf beruhende pessimistische Prognose von Bürgermeister Michael Häupl von rund 42 Prozent wurde noch drastisch unterboten, die Ära des "Roten Wien" schien endgültig vorbei.

Nach dem 25. März ist unter umgekehrten Vorzeichen wieder alles anders, und die "Propheten" haben sich wieder gründlich getäuscht: Die SPÖ hat weit mehr gewonnen als prognostiziert, fast so viel wie 1991 bei der letzten Wahl unter Helmut Zilk, die verloren gegangene "absolute Mehrheit" wurde dank des fragwürdigen Wiener Wahlrechtes wieder geholt.

Es scheint der SPÖ gelungen zu sein, die Bundespolitik massiv in den Landeswahlkampf hineinzuziehen - laut Umfragen hat jeder dritte sein Kreuzerl im Hinblick darauf gemacht. Gleichzeitig sind die Koalitionspartner auf Bundesebene weit davon entfernt, von ihrer Regierungsbeteiligung in der Bundeshauptstadt profitieren zu können.

Die ÖVP hat ausgehend von ihrem Rekord-Tief, wie Landesparteiobmann Görg selbst sagte, "bescheiden" dazugewonnen, war aber weit von dem noch vor Wochen möglich scheinenden "Zweier vorne" entfernt. Das dürfte wohl auch darauf zurückzuführen sein, dass der relativ themenarme VP-Wahlkampf in der immer schärfer werdenden Konfrontation zwischen SPÖ und der FPÖ unterging.

Die Freiheitlichen haben davon allerdings nicht profitiert. Zwar ist es gelungen, mit dem Wechsel vom "hump"elnden Pawkowicz-Nachfolger Hilmar Kabas zum weiblichen "Mann des Jahres" Partik-Pablé den Trend wieder aufwärts zu kehren, dennoch ist man sogar hinter das Ergebnis von 1991 zurückgefallen.

Da hat nicht einmal geholfen, dass man die Größen der Bundesregierung in den Wahlkampf nur am Rande einbezogen hat. Man setzte vor allem auf den Kärntner Landeshauptmann, der sich nicht nur als das soziale Gewissen der Bundeskoalition zu profilieren versucht, sondern seine Partei auch mit den umstrittenen Aussagen über Ariel Muzicant in den Mittelpunkt des medialen Interesses gespielt hat. Wie es scheint, hat dies mehr geschadet als genutzt.

Die Grünen haben das "Minimalziel" zehn Prozent klar übertroffen, sind aber von der "oberen Latte" 16 Prozent noch ein gutes Stück entfernt. Bedenklich: Die Wiener Parteispitze hat zu dem Erfolg relativ wenig beigetragen. Zum einen profitierten die Grünen von der Person ihres Bundessprechers Van der Bellen, der als "Realo" wegen seiner überlegten und ironisch-distanzierten Art weit besser ankommt als sein in den Inhalten nicht so verschiedener Kollege Chorherr. Zum anderen lukrierten die Grünen wohl zahlreiche Stimmen von den Liberalen.

Das Liberale Forum ist denn auch der einzige wirkliche Verlierer dieser Wahl. Die Idee, in Österreich eine Partei vergleichbar der deutschen FDP zu etablieren, ist damit wohl bis auf weiteres gestorben. Die Wirtschaftsliberalen sitzen in der Regierung, die Gesellschaftsliberalen können sich bei den Grünen wieder finden, noch dazu, wo diese (siehe oben) eine allseits anerkannte Führungspersönlichkeit ihr eigen nennen, die den Liberalen längst abhanden gekommen ist. Allein der Anspruch einer Anti-Haider-Partei ist den Wählern zu wenig. Die "eine Chance", wie von Alexandra Bolena plakatiert, ist damit von den Wählern nicht genutzt worden.

Was folgt, ist ungewiss. Hatte vor der Wahl noch auf viel ein Weiterbestehen der rot-schwarzen Koalition hingedeutet, ließ der bisherige Vizebürgermeister Bernhard Görg am Wahlabend schon anklingen, dass unter seiner Führung an eine Koalition mit einem "absoluten" Partner nicht zu denken sei.Auch die Grünen werden sich gut überlegen, in dieser Konstellation die angestrebte Regierungsbeteiligung zu verwirklichen. Profitieren könnten sie davon kaum.

Eine Alleinregierung der SPÖ ist somit nicht unwahrscheinlich. Wie man aus der Vergangenheit weiß, ist dies aber aus demokratiepolitischer Sicht gefährlich - auch für die Sozialdemokraten selbst, die in alte Fehler (Überheblichkeit, Machtmissbrauch, "Selbstbedienungsmentalität" ihrer Funktionäre etc.) verfallen könnten. Und diese Fehler werden die Wähler nur übersehen, so lange man der Bundespolitik den "schwarz-blauen Peter" zuschieben kann.