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Naheliegend wäre, die Turbulenzen und Sinnkrisen der Opposition als zufällige Häufung abzutun. Mindestens so sehr Berechtigung hat es allerdings, die Personalwechsel bei Neos, den Ausschluss der renitenten Jugend bei den Grünen und die Ratlosigkeit der FPÖ angesichts der fortgesetzten Übernahme blauer Markenkerne durch SPÖ und ÖVP in einen grundsätzlicheren Zusammenhang zu setzen (nur die Suche des Team-Stronach-Rests nach einer Existenzberechtigung ist nicht mehr von dieser Welt).
Tatsächlich sind die Machtverhältnisse in Bewegung. Dabei scheinen sie auf den ersten Blick von bestechender Eindeutigkeit: Rot und Schwarz regieren, stellen neun von neun Landeshauptleuten und gefühlte 97 Prozent aller Bürgermeister, bestimmen über die Richter an den Höchstgerichten, die Chefs staatsnaher Unternehmen und besetzen auf wundersame Weise noch unzählige Posten in Verbänden und Vereinen.
Und trotzdem: SPÖ und ÖVP sind längst nicht mehr die beiden Pole, um welche die politisch-kulturellen Auseinandersetzungen der Republik verlässlich kreisen. Die beiden Regierungsparteien verfügen nur noch über schnöde Macht, aber nicht mehr über die kulturelle Deutungshoheit.
Der Kern der politischen Auseinandersetzungen dreht sich wieder darum, wer wir sind und sein wollen. In dieser Frage bilden FPÖ und Grüne die beiden Extrempunkte, um welche die möglichen Antworten kreisen. Das Duell um die Hofburg hat deutlich gemacht, entlang welcher Grenzen künftig der politische Streit ausgetragen wird.
Doch diese politisch-kulturelle Lufthoheit ist keine Garantie für einen Höhenflug bei Wahlergebnissen. Alexander Van der Bellen siegte nur dank einer breiten Koalition all derjeniger, die einen FPÖ-Kandidaten im Amt des Bundespräsidenten unbedingt verhindern wollten. Als Partei im engeren Sinne und in direkter Konkurrenz nach den Regeln eines Verhältniswahlrechts sind die Grünen auf Bundesebene unendlich weit davon entfernt, mehrheitsfähig zu sein. Bei einem Dreikampf Kern-Kurz-Strache drohen ihnen sogar Verluste (und den Neos, wenn es blöd läuft, das parlamentarische Verschwinden).
Das zeigt: Man kann der Politik seinen Stempel aufdrücken und trotzdem als Verlierer vom Feld gehen. Nicht immer ist der Verlust der Diskurshoheit nämlich auch mit einer Änderung der realen Machtverteilung verbunden. Österreich zeigt vor, wie das geht.