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Siegesmarsch eines Außenseiters

Von Ines Scholz

Politik

Die Arbeitspartei des aus Russland stammenden Unternehmers Viktor Uspaskich hat die erste Runde der Parlamentswahlen in Litauen klar für sich entscheiden können und damit dem Regierungswahlbündnis von Ministerpräsident Algirdas Brazauskas eine herbe Niederlage beschert.


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Uspaskichs "Darbo partija" erhielt 28,60 Prozent der Stimmen (22 Mandate), Brazauskas Bündnis aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen hingegen nur 20,66 Prozent (16 Mandate). Überraschend gut schnitt auch die Koalition des abgesetzten Ex-Präsidenten Rolandas Paksas ab, die mit 11,42 Prozent (9 Mandate) locker die für Parteibündnisse verschärfte Sieben-Prozent-Hürde nahm. Paksas selbst durfte wegen seiner Verurteilung durch den Verfassungsgerichtshof nicht kandidieren.

Die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse im Parlament werden erst in knapp zwei Wochen feststehen, wenn in den meisten der 71 Einer-Wahlkreise eine Stichwahl entscheidet. Am Sonntag wurden nur jene 70 Mandate ermittelt, die nach dem Proporzsystem vergeben werden.

Unabhängig vom Ergebnis des zweiten Durchgangs ist nicht damit zu rechnen, dass Uspaskich den Posten des Regierungschefs erhält, machte Brazauskas doch bereits klar, dass er im Amt zu bleiben gedenkt. Nicht vorbei kommen wird der 72-jährige Sozialdemokrat nach dem fulminanten Erfolg des politischen Aufsteigers russischer Abstammung jedoch an einer Regierungsbeteiligung von "Darbo". Uspaskich dürfte die Macht des Möglichen erkannt haben: Er wolle zumindest den Posten eines stv. Ministerpräsidenten (den es bisher nicht gibt), erklärte er noch am Wahlabend.

Eines hat der 45-Jährige schon jetzt geschafft: Litauens bisheriges politisches Gefüge gewaltig durcheinander zu bringen. Die Versuche der Traditionsparteien, Uspaskich, dessen Partei schon bei der EU-Wahl über 30 Prozent der Stimmen einheimste, als Populisten und - aufgrund seiner Herkunft und seinen guten Geschäftskontakten mit Russland - als "fünfte Kolonne Moskaus" zu diskreditieren, wurden von den Litauern in den Wind geschlagen. Viele sehen in dem charismatischen Millionär vielmehr den Retter aus der sozialen Misere und vor dem verfilzten System der litauischen Elite. Diese Themen waren es auch, die er sich im Wahlkampf auf seine Fahnen heftete: So versprach der Wahllitauer eine Erhöhung der Pensionen und Löhne für die untersten Einkommensschichten, bessere Gesundheits- und Sozialfürsorge für alle sowie einen rigorosen Kampf gegen die immer noch florierende Korruption - Verlockungen, die in einem Land, das trotz hohen Wachstumsraten in vielen Bereichen nach wie vor zu den Schlusslichtern in Europa zählt, auf fruchtbaren Boden fallen.