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Siegessicher waren sie beide

Von Martyna Czarnowska

Politik

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Egon kommt nicht. Drei Mal hat die Frau schon nach ihm gerufen. Doch Egon hat um die Ecke gesehen und die Menschenschar erblickt, die sich vor dem Wahllokal in der Badner Bahngasse gesammelt hat. Dann hat er wieder umgedreht. Ein Pulk von Medienleuten wartet am späten Vormittag auf die Ankunft von Bundespräsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner. Und das schreckt einige Wählerinnen und Wähler ab.

Andere beobachten das Geschehen. Wie das ältere Ehepaar: Sie stehen auf dem Balkon einer Villa neben dem Wahllokal in der Filiale der Wirtschaftskammer. Nein, auf Ferrero-Waldner warten sie nicht unbedingt. "Aber so ein Theater sieht man nicht jeden Tag", sagt die Frau. Wählen waren sie schon in der Früh, wer gewinnen wird, sei schwer zu sagen. "Aber haben Sie schon ihr Haus gesehen?" fragt die Frau und meint Ferrero-Waldners Wohnsitz um die Ecke. "Das ist renovierungsbedürftig. Geld hätte sie ja jetzt genug." "Aber sie hat doch keine Zeit", mischt sich ein Bekannter ein, der gerade stehen geblieben ist. "Sie muss es ja nicht selber machen", entgegnet die Frau.

Der etwa 50-jährige Mann hat "die Benita" gewählt. "Sie ist eine Frau von Format", begründet er. Doch Prognosen über den Wahlausgang traut er sich nicht abzugeben.

Während eine Frauenrunde bereitwillig und lachend erzählt, wen sie gewählt hat - "die Dame, weil Frauen besser sind" -, will ein junger Mann nicht verraten, für wen er gestimmt hat. Doch zum möglichen Wahlausgang sagt er etwas: "Ich glaube, dass es Fischer mit einem knappen Vorsprung schafft. Für Frau Ferrero wird es sich nicht ausgehen."

Anderer Ansicht ist die ÖVP-Kandidatin selbst. Begleitet von ihrem Mann Francisco Ferrero-Campos, umringt von Kameraleuten und Fotografen nähert sie sich dem Wahllokal, wird mit Applaus der Umstehenden begrüßt. Sie zeigt sich siegessicher, schüttelt Hände. Lukas, der kleine Sohn des Pressesprechers Johannes Peterlik, ist schon unterrichtet. "Was wird die Frau Ministerin?" fragt der Vater. "Gewinnen", lautet die Antwort.

"Ich bin ganz ruhig, es ist eine geschlagene Schlacht", meint die ÖVP-Kandidatin nach der Stimmabgabe. "Erstmals habe ich nun ein paar freie Stunden, und die nutze ich." Nach einem Spaziergang sei ein Mittagessen mit ihrem Mann geplant: "Das habe ich ihm schon lange versprochen." Vor dem Wahllokal wird es ruhiger. Egon übrigens bleibt verschwunden.