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Siemens greift jetzt nach der ganzen VA Tech

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Siemens ist die große Überraschung gelungen. Im zweiten Anlauf konnte der Großkonzern nun Eigentümer der VA Tech werden. Doch bei den 16,67%, die Siemens über die Victory Industriebeteiligung von Mirko Kovats kaufte, bleibt es nicht. Der Elektro-Multi greift nun nach der ganzen VA Tech. Deren Vorstand wurde von der Aktion offensichtlich überrumpelt, will den heimlichen Deal aber nicht kommentieren.


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Albert Hochleitner, Chef von Siemens Österreich, ist beim zweiten Anlauf, die VA Tech zu übernehmen, ein Überraschungserfolg der besonderen Art gelungen. Der 65-Jährige konnte die für ihn schmerzliche Niederlage von Anfang September - damals scheiterte Siemens an massiver Gegenwehr des VA-Tech-Betriebsrates, -vorstandes und zuletzt der Politik - in einen Triumph verwandeln. Wie vom Blitz getroffen musste der VA Tech-Vorstand die Nachricht vom Siemens-Einstieg, die am Wochenende bekannt wurde, zur Kenntnis nehmen.

Das erste Mal gibt es in Österreich eine feindliche Übernahme, auch wenn es mittlerweile keiner mehr als solche bezeichnen will. Mit den 16,67%, die Siemens dem größten VA-Tech-Aktionär abluchsen konnte, gibt sich Hochleitner nicht zufrieden. Er erklärte gestern vor Journalisten, dass die komplette Übernahme des Linzer Anlagabau-Unternehmens geplant sei - so rasch als möglich. "Wir streben eine 100-prozentige Eigentümerschaft an, damit verschwindet VA Tech automatisch von der Börse". Doch zuvor sind noch einige Hürden zu nehmen.

Die Übernahmekommission hatte nach dem ersten misslungenen Coup Siemens eine Sperrfrist von einem Jahr auferlegt. Doch es gibt die Möglichkeit, diese zu verkürzen und die Aussichten für Siemens scheinen gut zu sein. Denn Hochleitner ist zuversichtlich, dass die Übernahme in absehbarer Zeit über die Bühne gehen kann, obwohl er vor zwei Monaten das Vorgehen der Behörde scharf attackiert hatte. Auf einen Zeitrahmen wollte er sich jedoch nicht festlegen, die vorläufige Sperre wurde für maximal ein Jahr verhängt. Der Leiter der Übernahmekommission, Peter Doralt, versichert nun, intensiv zu arbeiten, damit die Sache rasch geklärt werde.

Siemens ist jedenfalls bereit, für den Linzer Konzern 840 Mio. Euro hinzublättern, die ÖIAG würde davon 124 Mio Euro bekommen. Pro Aktie werden 55 Euro geboten. Der Vertreter der Kleinaktionäre, Wilhelm Rasinger, bezeichnet das Übernahmeangebot als akzeptabel für die Anleger, jedoch schlecht für den Börsestandort Wien, denn spätestens in einem Jahr verschwindet die VA Tech-Aktie vom Kurszettel.

Schlechtes Zeugnis für ÖIAG

Der Privatisierungspolitik der ÖIAG stellt Rasinger ein schlechtes Zeugnis aus. Zuerst habe der ÖIAG-Vertreter im Voestalpine-Aufsichtsrat dem Verkauf der VA Tech-Aktien um 24 Euro an Mirko Kovats zugestimmt, im Sommer 2003 wurde der 9%-Anteil noch um 24,6 Euro verkauft - heute liegt der Kurs bei mehr als dem Doppelten. "Ein professionelleres Vorgehen hätte hier einiges erspart", so Rasinger. Er versteht VA Tech-Mitarbeiter, die sich wie "Schachfiguren des internationalen Finanzkapitals" fühlen. Die ÖIAG beurteilt das Siemens-Offert anders als noch vor zwei Monaten als positiv und signalisiert damit Verkaufsbereitschaft für den 15%-Anteil. Im Gegensatz zum ersten Übernahmeversuch gebe es "ganz andere Bedingungen", wird beteuert.

Kovats, der große Gewinner

Der große Gewinner des VA-Tech-Deals heißt Mirko Kovats. Von Anfang an galt seine Beteiligungsstrategie als undurchsichtig. Zwar versicherte er immer, er sei der langfristige und stabile Kernaktionär. Seine Taten ließen jedoch das Gegenteil erkennen. Der Verkauf seiner Victory Beteiligungsgesellschaft brachte ihm schätzungsweise mehr als 130 Mio. Euro. Kritik am "Glücksritter" kommt von Johann Moser, Wirtschaftssprecher der SPÖ. Kovats habe durch den Deal innerhalb von eineinhalb Jahren 80 Mio. Euro verdient.

Dass es Kovats weniger um eine langfristige Unternehmensbeteiligung als vielmehr um schnelle Gewinne ging, glaubt auch VA-Tech-Vorstand Klaus Sernetz. "Kovats hat ein Jahr lang mit gekonnter Verbalakrobatik den Aktienkurs in die Höhe getrieben." Noch am vergangenen Donnerstag habe es mit ihm ein Gespräch über die geplante Kapitalerhöhung gegeben. Da sei, so Sernetz, für ihn nicht zu erkennnen gewesen, dass Kovats seine Anteile verkaufen werde.

Ob die Kapitalerhöhung überhaupt kommt, steht noch in den Sternen. Siemens hätte wenig Freude, sollten die Besitzverhältnisse verwässert werden, würde aber gegebenenfalls mitziehen. Es gebe aber noch andere Möglichkeiten, einem Unternehmen Eigenkapital zuzuführen, lässt Siemens-Finanzvorstand Peter Schönhofer wissen.

Keine Arbeitsplatzgarantie

Hochleitner gibt zu, dass er in Bezug auf seine weiteren VA Tech-Absichten im September "nicht die Wahrheit gesagt hat". Dies wäre jedoch strategisch motiviert gewesen. In Bezug auf die Arbeitsplätze versichert er nun, dass Siemens nicht daran denke, Standorte der Neuerwerbung zu schließen und Arbeitplätze abzubauen. "Ein Unternehmen zu kaufen, um Arbeitsplätze zu vernichten, ist teuer." Eine Arbeitsplatzgarantie wollte er jedoch nicht abgeben. Ob der VA Tech-Vorstand seine Posten behält, wollte Hochleitner nicht sagen.