Beispiellose Klage in Deutschland. | Elf Ex-Manager sollen zahlen. | München. Siemens will den ehemaligen Vorstandschef Heinrich von Pierer wegen der Schmiergeldaffäre auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagen, wenn er die von ihm geforderten sechs Millionen Euro symbolischen Schadenersatz nicht freiwillig in den kommenden Wochen zahlt. Im Falle einer Klage müsste Pierer dann mit seinem gesamten Vermögen - das auf zehn Millionen Euro geschätzt wird - haften.
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Der gesamte Schaden aus dem Korruptionsskandal, für den Pierer die "politische Verantwortung" übernommen hatte, beläuft sich auf mehr als zwei Milliarden Euro. Eine solche Klage gegen einen früheren Topmanager wäre bisher ohne Beispiel in Deutschland.
Siemens wirft dem langjährigen Vorstands- und späteren Aufsichtsratschef Pierer vor, während seiner Amtszeit die Geschäfte des Unternehmens nicht genau genug kontrolliert zu haben. Dadurch seien die weltweiten Schmiergeldzahlungen zahlreicher Konzernsparten für lukrative Aufträge möglich geworden.
Der größte Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte war mit einer Großrazzia im November 2006 ins Rollen gekommen - seine Aufarbeitung hat den Konzern bereits Milliarden gekostet. So musste Siemens alleine nach Einigung mit der US-Börsenaufsicht SEC und der Staatsanwaltschaft München Ende vergangenen Jahres rund eine Milliarde Euro an Geldbußen zahlen, dazu kamen weitere Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen.
Der Konzern verlangt von insgesamt elf Ex-Vorständen symbolische Schadenersatzzahlungen. Nur drei von ihnen haben sich bislang dazu bereit erklärt. Klaus Wucherer, Rudi Lamprecht und Edward G. Krubasik haben dem Unternehmen einen juristischen Vergleich von jeweils 500.000 Euro angeboten. Gegen die drei Manager hatte auch die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Verletzung der Aufsichtspflicht ermittelt. Diese Verfahren sind aber bereits eingestellt worden.
Aus Sicht des Siemens-Aufsichtsrats ist die Sachlage eindeutig. Die Frist für die bisher nicht zahlungswilligen acht Ex-Vorstände laufe in wenigen Wochen ab. Bei der nächsten Sitzung Anfang Dezember werde man die Vorlagen für die Aktionärsversammlung Ende Jänner 2010 beschließen. Spätestens dann seien Schadensersatzklagen unausweichlich, damit Vorstand und Aufsichtsrat nicht selbst in Haftung genommen würden.
Auch Kleinfeld betroffen
Zu den betroffenen Managern zählt auch von Pierers zwischenzeitlicher Nachfolger als Siemens-Chef, Klaus Kleinfeld, der inzwischen den US-Aluminiumkonzern Alcoa leitet. Kleinfeld soll zwei Millionen Euro zahlen.
Der 67-jährige von Pierer ist inzwischen Mitglied im Aufsichtsrates des türkischen Mischkonzerns und Grundig-Eigners Koç, der 2008 einen Umsatz von 26 Milliarden Euro erwirtschaftete und in vielen Bereichen ein Siemens-Rivale ist. Es ist aber nicht Pierers einziger Job: nebenher sitzt er in den Kontrollgremien von Volkswagen, Deutscher Bank, ThyssenKrupp und Münchener Rück.