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Signale vom Rand des Universums

Von Christian Pinter

Wissen
So mag man sich die rotierende Akkretionsscheibe um ein Schwarzes Loch vorstellen. Rechtwinkelig dazu schießen ultrahelle Jets ins All - und diese gesamte Struktur nennt man "Quasar".
© NASA / ESA

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Als der US-Physiker Karl Jansky 1931 erstmals Rauschen aus dem All auffing, legte er das Fundament für die Radioastronomie. Sie stieß mit zunehmend empfindlicheren Empfängern auf immer mehr Funkquellen: Neben ausgedehnten Sendern wie dem Zentrum unserer Milchstraße gingen auch punktförmig anmutende Quellen ins Netz. Deren Natur gab Rätsel auf.

1959 nennt der britische "Third Cambridge Catalogue" (kurz "3C") bereits 471 außerirdische Signalquellen. Im folgenden Jahr macht Allan Sandage ein Sternchen am mutmaßlichen Ort der Radioquelle 3C48 aus. Eine ähnliche Sichtung gelingt beim Radioobjekt 3C273: Hier zeigen die optischen Teleskope einen Lichtpunkt, der 330 mal zarter ist als die schwächsten, gerade noch freiäugig erkennbaren Sterne. Er liegt im Sternbild "Jungfrau" und wird später auch die Bezeichnung "HIP 60936" tragen. Ein Verdacht kommt auf: Stammt das starke Radiorauschen womöglich von diesem Stern?

Noch fehlt den Empfangsanlagen die nötige Trennschärfe, um das zu klären. 1962 hilft "Kommissar Zufall": Der Mond zieht mehrmals vor 3C273 vorbei. Der britische Astronom Cyril Hazard richtet die 64 Meter weite, gerade vollendete Antennenschüssel des Radioteleskops im australischen Parkes darauf. Hinter dem Mondrand verschwunden, verstummt das Signal stets schlagartig. Die Bedeckungszeitpunkte verraten die Position des Senders mit unerreichter Präzision. Nun weiß man: 3C273 ist wirklich identisch mit "HIP 60936"!

Man kann fortan also auch das Licht der Radioquelle untersuchen. Sofort wird auf alten Fotoplatten gefahndet, diesmal im US-amerikanischen Cambridge und in Heidelberg. Die Aufnahmen reichen bis 1887 zurück und lassen unregelmäßige Helligkeitsausbrüche innerhalb weniger Monate erkennen: Ein Beweis, dass es sich um ein extrem kleines Objekt handeln muss.

Dem Astronomen Maarten Schmidt gelingt es sogar, das Spektrum aufzunehmen. Alle Spektrallinien sind überraschend stark ans rötliche Ende verschoben, was ein wahnwitziges Tempo anzeigt. Das Objekt rast offenbar mit 180 Millionen km/h von uns fort, einem Sechstel der Lichtgeschwindigkeit! Schmidt und 400 andere Himmelskundler treffen einander im Dezember 1963 im texanischen Dallas, um solche atemberaubenden Entdeckungen zu diskutieren. Dabei wird der griffige Name "Quasare" für die sternähnlich anmutenden Objekte geprägt - eine Kurzform von "quasistellare Radioquellen" (lateinisch quasi, gleichsam; stella, Stern).

Verständnisprobleme

1965 hält man bereits bei zehn bekannten Quasaren. Doch deren rasante Geschwindigkeit macht Probleme. Längst weiß man: Je weiter eine fremde Milchstraße von uns entfernt ist, desto dramatischer fällt ihre Rotverschiebung aus. Das scheinbare Davonrasen der Galaxien ist Folge der kosmischen Expansion: Sie lässt die Abstände zwischen den Galaxienhaufen beständig wachsen. Die Rotverschiebung wird somit zum Zollstock, der weite Distanzen im Kosmos misst.

Demnach wären Quasare aber Milliarden Lichtjahre von uns entfernt. In solchen Abständen erkennt man fremde Galaxien nur mit Mühe - obwohl die doch jeweils ganze Heerscharen von Sternen umfassen. Wie sollte ein Quasar, klein wie unser Sonnensystem, mit dem gemeinsamen Glanz von etlichen Galaxien rittern? Wie könnte er die Helligkeit von tausend Milliarden Sonnen übertrumpfen?

Nicht wenige Astronomen reagieren mit Kopfschütteln. Die Quasare, so werfen Skeptiker ein, müssten uns in Wahrheit einfach näher stehen, als ihre Rotverschiebung glauben macht. Dann aber wäre dieser Zollstock trügerisch, ja vielleicht die ganze Urknalltheorie falsch. Wären Quasare hingegen wirklich so weit entfernt, bräuchte es geradezu unglaublicher Mechanismen, um ihre Leuchtkraft zu erklären.

Manche Theoretiker malen sogar Zusammenstöße von Galaxien aus Materie und Antimaterie an die Wand. Andere hingegen spekulieren mit höchst hypothetischen Kettenreaktionen, bei denen eine Supernova-Explosion die nächste auslösen soll. All das wirkt viel zu phantastisch. Nichts davon überzeugt die Forschergemeinde.

An der erwähnten Tagung in Dallas hat auch der US-Physiker John Wheeler teilgenommen. Ihn fasziniert eine äußerst exotische Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie: Demnach sollte es Objekte mit extremen Anziehungskräften geben, denen nicht einmal mehr das unübertroffen schnelle Licht entkommt. 1967 verwendet Wheeler dafür den Begriff "Schwarze Löcher".

Todeszonen

In den Siebzigerjahren machen Großteleskope klar: Quasare stecken im Kern von ausladenden Milchstraßen, die nur ihrer enormen Erddistanz wegen bisher unentdeckt geblieben sind. Es handelt sich um Extremfälle sogenannter "Aktiver Galaxien": Hier sendet das winzige Zentrum sehr viel mehr Strahlung aus, als die ganze, vielleicht 100.000 Lichtjahre weite Welteninsel.

Fast jede Milchstraße trägt ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Herzen. Ein solcher Finsterling übt die Anziehungskraft von Millionen bis Milliarden Sonnen aus. Kommt ihm ein Stern zu nahe, wird er zerrissen. Sein Gas erfährt eine enorme Beschleunigung und stürzt daher nicht sofort ins Loch. Vielmehr spiralt das Raubgut zunächst in einer wachsenden Akkretionsscheibe (lat. accretio, Zunahme) um das Monster herum. Dabei entwickelt das Gas ein Höllentempo.

Bei rasch rotierenden Schwarzen Löchern ziehen die Partikel besonders enge Bahnen, bevor der Absturz erfolgt. Die Teilchen reiben sich entsprechend heftig aneinander, die Temperatur steigt unentwegt. Millionen Grad Celsius heiß, sendet der innere Teil der wirbelnden Materiescheibe Gamma- und Röntgenstrahlung aus, dazu sichtbares Licht und eventuell starke Radiowellen. Masse wird in Energie umgewandelt, um ein Vielfaches effizienter als bei der Kernfusion.

Rund ums Schwarze Loch existiert ein gewaltiges Magnetfeld. Es reißt etwa jedes vierte Teilchen aus der Scheibe und jagt es entlang der Feldlinien fort, in Richtung der Magnetpole. Dieses heiße Gas flüchtet in Form zweier entgegengerichteter Jets, wobei die Materie fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird. So reicht etwa der Jet des 3C273 gleich eine Million Lichtjahre weit ins All hinaus.

Zunächst eng gebündelt, treffen die leuchtenden Strahlen dort draußen auf den Wasserstoff zwischen den Galaxien. Dabei fächern sie auf, und es entstehen Verformungen und Klumpen. An den äußeren Enden der Quasar-Jets bilden sich ausgedehnte, magnetisierte Wolken. Die Materie-strahlen heizen das Gas zwischen den Milchstraßen auf. In der jeweiligen Stammgalaxie vereiteln sie hingegen die Geburt neuer Sterne.

Das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße vereint die Masse von mehr als vier Millionen Sonnen in sich. Es ist derzeit auf Hungerkur. Die Sterne in seiner Nähe sind zu schnell unterwegs und entgehen so der Todesspirale. Nur eine Gaswolke von etwa drei Erdmassen nähert sich zurzeit dem Monster.

Anderswo ernähren sich Schwarze Löcher üppiger: von Materieströmen innerhalb der Galaxie oder von intergalaktischem Gas, das in diese Systeme hineintreibt. Besonders opulent wird diniert, wenn Milchstraßen kollidieren. Dann finden sich die Schwarzen Löcher beider Systeme im Zentrum des neuen, nun vereinten Galaxiengebildes wieder. Das Duo startet dann einen Tango, der in einer wilden Verschmelzung endet.

Bei dieser Vereinigung ziehen Gravitationswellen weg - allerdings nicht ganz symmetrisch. Die Ungleichheit kickt das Riesenmonstrum fort. So trifft es auf Materie, die zuvor außerhalb seiner Reichweite lag. Während ein ruhendes Schwarzes Loch etwa eine Sonnenmasse im Abstand von Jahrhunderttausenden verschlingt, schafft das ein marodierendes Loch alle paar Jahre. Seine Akkretionsscheibe wird immer dichter und strahlt endlich als neuer Quasar auf. Ähnliches mag auch in unserer eigenen Milchstraße geschehen, sofern diese in drei Milliarden Jahren wirklich mit der Andromedagalaxie kollidiert.

Enorme Leuchtkraft

Ihrer Leuchtkraft wegen waren Quasare jahrzehntelang die Objekte erster Wahl, wenn Astronomen möglichst weit ins All hinausschauen wollten. 2011 stießen sie auf einen 12 Milliarden Lichtjahre entfernten Quasar. Ein anderer strahlte sogar noch eine Jahrmilliarde früher auf. Ihm dient ein Schwarzes Loch mit zwei Milliarden Sonnenmassen als Antrieb.

Dank der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts versetzen die meisten dieser Objekte ihre Betrachter in die Kindheits- und Jugendtage des Universums zurück. Damals war das All noch kleiner, galaktische Zusammenstöße häufiger. Wohl deshalb konnten Schwarze Löcher solche Dimensionen erreichen. Im heutigen Kosmos leuchten Quasare tausendmal seltener auf.

Hobbyastronomen erzielen mit ihrer Hilfe zumindest persönliche Weitenrekorde. Der legendäre 3C273 ist außerhalb der Stadt schon mit Fernrohren ab etwa zehn Zentimetern Durchmesser zu erahnen, trotz einer Distanz von 2,4 Milliarden Lichtjahren. Besonders gut ausgerüstete Amateure schaffen vielleicht sogar den Quasar 1946+7658 im Sternbild "Drache". Sein Licht war elf Milliarden Jahre unterwegs. Man sieht zwar auch hier nicht mehr als ein unspektakuläres Lichtpünktchen. Doch das ist der Todeskampf von Materie, drauf und dran, aus dem vertrauten Universum zu verschwinden. Und zwar auf Nimmerwiedersehen.

Christian Pinter geboren 1959, lebt als Fachautor in Wien und schreibt seit 21 Jahren as-tronomische Artikel für die "Wiener Zeitung". Im Internet unter: www.himmelszelt.at