Zum Hauptinhalt springen

"Silberstein arbeitete für mich"

Von Werner Reisinger

Politik

Alfred Gusenbauer bestreitet vorsorglich Gerüchte, ehemaligen SPÖ-Berater für die Partei weiterbezahlt zu haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ärger, Wut, Unverständnis – und vor allem Ratlosigkeit. So beschreiben enge Mitarbeiter diverser SPÖ-Kandidaten und rot geführter Ministerien die Stimmung innerhalb der Partei. Ärger, dass Warnungen, wonach Tal Silberstein und dessen Team nicht zu trauen sei, in den Wind geschlagen worden seien, Unverständnis, wie so etwas überhaupt passieren konnte, Ratlosigkeit, wie es nun weitergeht und was am besten zu tun ist. Doch die Enthüllungen rund um die Dirty-Campaigning-Facebookseiten des Teams von PR-Berater Tal Silberstein sind offenbar noch nicht abgeschlossen.

Zu den bisher bekannten Fakten: Nach Enthüllungen von "profil" und "Presse am Sonntag" betrieb eine "Parallelstruktur" um Tal Silberstein, wie der mittlerweile zurückgetretene SPÖ-Generalsekretär und Wahlkampfmanager Georg Niedermühlbichler es nannte, die inkriminierten Facebookseiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz". Die Seiten brachten wiederholt, besonders nach Silbersteins Abgang als SPÖ-Berater Mitte August, antisemitische und rassistische Einträge.

Ziel des Angriffs unter falscher Flagge war, den ÖVP-Spitzenkandidaten Kurz zu beschädigen und es dabei aber so aussehen zu lassen, als sei die ÖVP selbst hinter den Seiten. Silberstein engagierte als Betreuer der Seiten offenbar unter anderem auch Mitarbeiter, die zuvor bei den Neos und bei der ÖVP in Diensten gestanden hätten. SPÖ-Granden, allen voran Georg Niedermühlbichler und SPÖ-Chef Christian Kern selbst, hätten davon nichts gewusst, wie beide beteuern.

Kanzler Kern: "Unglaublich blöd"

Inzwischen arbeitet eine von der SPÖ eingesetzte Taskforce an der Ausforschung der genauen Zusammensetzung des Silberstein-Teams. Es ist Anzeige gegen unbekannt erstattet worden, um den Sachverhalt schneller zu klären. Nach Silbersteins Abgang Mitte August aber, so versichert man in der Partei, sei "kein einziger Cent" mehr an Silberstein geflossen. Die medial kolportierten Zahlungen in der Höhe von einer halben Million Euro für Tal Silbersteins Facebook-Team stellte Silberstein selbst am Dienstag in einem Bericht von "News" infrage. Das Budget habe "unter 100.000 Euro" gelegen, sagte der PR-Berater. SPÖ-Insider sprechen gegenüber der "Wiener Zeitung" von "50.000 bis 70.000 Euro".

Silberstein nahm Kern in Schutz und bestritt gegenüber "News", dass der Kanzler etwas vom Dirty Campaigning gegen Kurz gewusst habe: "Es ist Teil einer Negativkampagne der Gegenseite, alles dem Kanzler und der SPÖ vorzuwerfen." Kern selbst hielt die Sache am Dienstagnachmittag für "höchst aufklärungsbedürftig". Silbersteins Äußerungen gingen dem Kanzler noch nicht weit genug, schließlich sei Fakt, dass die SPÖ die Facebookseiten nicht gewünscht habe, diese seien "unmoralisch" und "unglaublich blöd".

SPÖ sucht einen Maulwurf

Wer aber hat dafür gesorgt, dass die Facebook-Seiten auch nach Silbersteins Abgang als SPÖ-Berater weiter bespielt wurden? Und vor allem: Wer bezahlte die Mitarbeiter? Sowohl Silberstein als auch die SPÖ vermuten, dass es einen "Maulwurf" gibt, der die brisanten Informationen über die Facebookseiten der ÖVP zutrug. Zudem will man nicht ausschließen, dass nach Silbersteins Abgang das Facebook-Team vom politischen Gegner bezahlt wurde – was die ÖVP natürlich vehement bestreitet. Am Dienstag dann das nächste Gerücht: Alfred Gusenbauer habe nach Silbersteins Abgang den Berater für die Partei weiterbezahlt. Gusenbauer zur "Wiener Zeitung": "Ich kenne Tal Silberstein und arbeite geschäftlich mit ihm zusammen. Das hat mit der SPÖ gar nichts zu tun. Er bekam von mir bzw. meiner Firma Aufträge, das war‘s."

Fraglich bleibt also, wie die weitere Finanzierung der Seiten rechtlich zu bewerten ist. Dafür muss zuerst geklärt werden, ob die Facebook-Pages auch rechtlich der SPÖ zuzuordnen sind, wenn sie ohne Wissen der Parteispitze und ohne entsprechenden Auftrag eingerichtet worden sind. Sollten die Seiten rein rechtlich der SPÖ zugeordnet werden können und nach dem Rauswurf von Tal Silberstein tatsächlich von einer Person außerhalb der Partei finanziert worden sein, wäre das laut dem Parteifinanz-Experten Hubert Sickinger jedenfalls als Parteispende zu bewerten.
"Wenn man es als Spende rechnet, müsste die Partei das veröffentlichen, andernfalls ist es ein Verwaltungsdelikt", sagt Sickinger. Der Strafrahmen wäre aber in diesem Fall nicht sonderlich schmerzhaft, denn er beträgt das Ein- bis Dreifache von der verschwiegenen Spende.

"Profil" und "Die Presse" schreiben in ihrer Mittwoch-Ausgabe, dass der SPÖ-Mitarbeiter Paul Pöchhacker auch nach dem Hinauswurf Silbersteins‘ die Schmutz-Seiten weiter betreut hätte. Die SPÖ suspendierte jedenfalls daraufhin den Mitarbeiter, der sich derzeit im Krankenstand befindet.

Ob Facebook aufgrund der eingebrachten Anzeigen bei der Aufklärung mithilft, wird sich allerdings erst herausstellen. Gesetzlich gibt es einen Hebel, sagte die Netz-Expertin Ingrid Brodnig in der gestrigen "Wiener Zeitung", nämlich über das Medienrecht.