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In doppelter Hinsicht wirft hier der Übergang in das Jahr 2000 seine Schatten voraus: Zum einen mit den mannigfaltigen Vorbereitungen für die rauschenden Feste, zu denen rund um das Brandenburger | Tor ein Millionenpublikum aus dem In- und Ausland erwartet wird; zum anderen mit Krisenszenarien, die sich sowohl mit den Risiken überdimensionaler Massenveranstaltungen als auch mit den Auswirkungen | eines möglichen Computerchaos' befassen.
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Seit der Senat vor knapp zwei Jahren 12,8 Millionen DM für die Finanzierung des Veranstaltungsprogramms genehmigt hatte, liefen die Vorbereitungen auf das Jahrtausendfest auf Hochtouren. Die
"Silvester in Berlin GmbH" plant die größte und spektakulärste Open-Air-Party Deutschlands. Auf dem über vier Kilometer langen Boulevard zwischen Alexanderplatz und Siegessäule werden am 31. 12. rund
anderthalbmillionen Besucher zu 250 Veranstaltungen erwartet. Mit der gigantischen Lasershow am Pariser Platz, der Gala am Reichstag, dem Sonderkonzert des Berliner Philharmonischen
Orchesters, dem klassischen Pfannkuchenlauf, den Ausstellungen, bunten Programmen auf acht Bühnen und einem Jahrtausenfeuerwerk werden Berliner und Gäste sicherlich auf ihre Kosten kommen.
An 500 Theken stehen 200.000 Hektoliter Bier und 200.000 Flaschen Sekt bereit. Vor dem Kulturforum werden auf einem 60 Meter langen "Bufett der Nationen" Gerichte aus aller Welt angeboten.
Neben diesem Silvesterprogramm laden die Berliner Kulturinstitutionen für vier Tage zwischen dem 30. Dezember und dem 2. Jänner zu einem großen Kunstfest unter dem Motto "Tanz auf dem Vulkan"
am Kulturforum ein. Das Gelände zwischen Gemäldegalerie und Neuer Nationalgalerie, Philharmonie und Staatsbibliothek, Potsdamer Platz und Matthäus-Kirche wird mit 170 anspruchsvollen und
unterhaltsamen Programmen der Berliner Künstler bespielt. Den Tagespass gibt es für 19,99 DM für alle Häuser, Open-Air-Veranstaltungen sind frei. Die Hotels sind bereits ausgebucht, obwohl die Preise
bis über 50 Prozent erhöht wurden.
Solche Massenveranstaltungen können erfahrungsgemäß Gefahren mit sich bringen. Silvester 97/98 brach auf dem total überfüllten Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor unter den 100.000
Besuchern fast eine Panik aus. Viele Menschen flüchteten ins Hotel Adlon, wo Sanitäter die Verletzten versorgten. Da dieser Platz normal höchstens 30.000 Besucher fassen kann, wird er zu Silvester
nach 21 Uhr gesperrt werden, damit die Fete nicht wirklich zum Tanz auf dem Vulkan wird. Dafür setzt die Polizei allein am Brandenburger Tor 2.000 Beamte ein, insgesamt sogar 8.500. Silvester 98
waren in Berlin nur 2.000 Polizisten in Dienst. Weitere 900 Ordner privater Wachdienste sollen dafür sorgen, dass es nicht zu gefährlichen Situationen kommt, die Menschen nicht am Pariser Platz
stehen bleiben, sondern sich auf die ganze Feiermeile verteilen.
Auch die Berliner Feuerwehr rüstet schon seit anderthalb Jahren für die Millenniumfeier. Sie hat 1.800 Feuerwehrmänner im Einsatz, dreimal so viel wie sonst. Mit bis zu tausend Bränden wird
gerechnet, fast das Doppelte von Silvester 98/99. Auch das Rote Kreuz ist am Brandenburger Tor mit 400 ehrenamtlichen Helfern im Einsatz.
Schließlich ist ein Computerchaos mit Auswirkungen auf viele Lebensbereiche möglich. Ein Notstab des Senats hat die Arbeit aufgenommen. Die Kraft- und Wasserwerke führten Millennium-Checks durch. Die
Verkehrsbetriebe legen die Bahnen und Aufzüge kurz vor Mitternacht zeitweilig still. Das Personal der Uni-Klinik Charite ist in der Silvesternacht in dreifacher Stärke im Einsatz und hat eine
Urlaubssperre verhängt. Und damit der "Freund und Helfer" im Notfall wirklich für jeden erreichbar ist, wird der Polizeiruf mit 85 Beamten · 35 mehr als im Vorjahr · besetzt. Es scheint, Berlin ist
den Millenniumswechsel gerüstet.