Kürzere Frist für Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter möglich.
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Rom. "Berlusconi erlebt diese Wartezeit mit Sorge." Mit diesen Worten schildert Daniele Santanche, eine enge Vertraute des Ex-Premiers die Stimmung im Palazzo Grazioli, der römischen Privatresidenz Silvio Berlusconis. Während das römische Kassationsgericht am Mittwoch den zweiten Tag über das in zwei Instanzen gefällte Urteil wegen Steuerbetrugs beriet, wartete Berlusconi in seiner Privatresidenz, die ebenso wie das Höchstgericht strengstens bewacht wurde, auf den Ausgang des Verfahrens. Am Dienstag hatte außer seinen Anwälten nur seine engsten Vertrauten Zugang zu ihm. Wenn das Urteil verkündet wird, will Berlusconis Tochter Marina ihrem Vater Beistand leisten. Berlusconi selbst erscheint nicht vor dem Gericht.
"Erfinder des Mechanismus für den Steuerbetrug"
Staatsanwalt Antonello Mura hatte in seinem Plädoyer vor dem Höchstgericht eine Bestätigung der vierjährigen Haftstrafe für Berlusconi verlangt, die in den beiden ersten Instanzen ausgesprochen worden war. Wegen eines Formfehlers forderte er aber, die Frist für das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter von fünf auf drei Jahre zu reduzieren. Im Übrigen unterstrich Mura, dass Berlusconi "der Erfinder des Mechanismus für den Steuerbetrug" gewesen sei. Er widersprach damit der Berlusconi-Verteidigung, dass dieser in den fraglichen Jahren 2002 und 2003 keine direkte Rolle in der Verwaltung seines Konzerns Mediaset gehabt habe. Beim Ankauf von Fernseh- und Filmrechten waren damals durch die Vermittlung von Offshorefirmen die ursprünglichen Kosten aufgebläht und im Ausland Schwarzgeldfonds geschaffen und der italienische Fiskus damit um mehr als sieben Millionen Euro geschädigt worden.
Berlusconis Anwälte Niccolo Ghedini und Franco Coppi forderten in ihren Plädoyers am Mittwochnachmittag erwartungsgemäß den Freispruch ihres Klienten. Coppi sagte bereits zuvor, dass die Frage der Reduktion der Frist für das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter aus technischer Sicht eigentlich an das Berufungsgericht in Mailand verwiesen werden müsste, aber es sei aus guten Gründen logischer, dass das Kassationsgericht darüber entscheidet. Zu einer eventuellen Rücküberweisung an das Berufungsgericht präzisierte Coppi: "Eine eventuell daraus resultierende Verjährung wäre nicht unsere Schuld".
Tatsächlich könnte das Verfahren gegen Berlusconi bei einer Rücküberweisung an frühere Gerichtsinstanzen verjähren und der Ex-Premier damit einmal mehr einer Verurteilung entgehen.
Fristreduzierung als Berlusconis letzte Hoffnung
Auf die Reduzierung der Frist für das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter setzt Berlusconi jetzt nach Berichten italienischer Medien seine letzte Hoffnung. Er rechnet damit, dass diese Frist letzten Endes nur 18 Monate beträgt und könnte dann vor dem Ende der Legislaturperiode an der Spitze seiner Partei, die er in Forza Italia zurückbenennen will, in die politische Arena zurückkehren. Noch besser wäre es allerdings, wenn die ganze Angelegenheit des Verbots der Amtsausübung an das Berufungsgericht zur Überprüfung zurückgewiesen würde, vertraute Berlusconi laut der Zeitung "la Repubblica" seinen engsten Vertrauten an.
Es hieß, Berlusconi wäre bereit, bei einer Reduzierung der Frist für das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter seinen Sitz im Senat sofort aufzugeben, um dann Anfang 2015 wieder antreten zu können. Damit will Berlusconi auch den Falken seiner Partei den Wind aus den Segeln nehmen, die im Fall seiner die Regierung Letta zu Fall bringen wollen. Berlusconi will sich nämlich nicht den Schwarzen Peter dafür zuschieben lassen, dass die Regierung scheitert. In den letzten Tagen hat er mehrmals darauf hingewiesen, dass er dafür Lettas Demokratische Partei (PD) verantwortlich machen will.
Tatsächlich gibt es in der PD Stimmen, die im Fall einer Verurteilung Berlusconis dessen Partei nicht länger im Kabinett sehen wollen. Einer der Wortführer dieser Gruppe ist der Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi, der Punkte für die Führung der Partei sammeln möchte, die bei einem Parteitag im Herbst neu gewählt werden soll.
Rund um Renzi gab es am Mittwoch im Zusammenhang mit dem Höchstgerichtsverfahren gegen Berlusconi noch eine heftige Kontroverse. Am Abend zuvor hatte Alessandro Sallusti, der Chefredakteur der Zeitung "Il Giornale", die zu Berlusconis Medienkonzern gehört, in der TV-Talkshow "Porta a Porta" behauptet, Renzi habe Berlusconi eine Solidaritätsbotschaft übermittelt, in der er betonte, er hoffe auf einen Freispruch. Renzis Pressesprecher dementierte umgehend und sprach von purer Fiktion, die jeglicher Realität entbehre.