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Silvio Berlusconis Pyrrhussieg öffnet künftigen Basarmethoden Tür und Tor

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Der Pyrrhussieg bei der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus - trotz vermuteten Stimmenkaufs kam Silvio Berlusconi nur auf 314 Stimmen, verfehlte die absolute Mehrheit von 316 der 630 Abgeordneten und konnte sich nur durch Stimmenthaltungen und abwesende Abgeordnete behaupten - öffnet den schon bisher gehandhabten Basarmethoden in Italiens Politik endgültig Tür und Tor.


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Berlusconi habe der FLI-Abgeordneten Catia Polidori - eine von drei Fini-Mandataren, die beim Vertrauensvotum ins Lager der Regierung zurückgekehrt sind - einen Spitzenposten in der Regierung und Begünstigungen für eine Privatuniversität ihrer Familie angeboten, wird in Rom kolportiert. Anderen Abgeordneten soll er Listenplätze bei kommenden Wahlen und im Fall der Nichtwahl Konsulentenverträge mit jährlich sechsstelligen Euro-Beträgen angeboten haben.

Die unsicheren Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus lassen für die Zukunft das Schlimmste erwarten. Hatte der Regierungschef noch vor dem Vertrauensvotum vor allem der christdemokratischen UDC ein offenes Angebot für eine Koalition gemacht, so meinte er post festum, dass er nur an einzelne Abgeordnete denke, die mit der Linie ihrer Partei nicht mehr übereinstimmen. Einer ganzen Fraktion, wie der UDC seines früheren Koalitionspartners Pier Ferdinando Casini, müsste Berlusconi offenbar politische Zugeständnisse machen, einzelne Abgeordnete gibt es - wie man es bei der Vertrauensabstimmung am Dienstag sah - billiger.

Italiens politisches System kannte immer die sogenannten Heckenschützen, die über Sein oder Nichtsein eines Regierungschefs entschieden und in den Jahren der christdemokratischen Hegemonie einmal den einen, dann wieder den anderen Parteiflügel an die Regierungsspitze hievten. Berlusconi stützte sich auf einen Teil der Christdemokraten und die Sozialistische Partei Bettino Craxis, die seine wirtschaftlichen Interessen besorgten.

Als diese Parteien Anfang der 1990er nach Korruptionsskandalen zusammenbrachen, stieg Berlusconi selbst in die Politik ein und sammelte die Überreste ein. Ein Wahlrecht, das auf ein bipolares System ausgelegt ist, zwingt die politischen Lager, vor Wahlen ungesunde Allianzen einzugehen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. So sind heute 59 von 630 Abgeordneten nicht mehr in jenen Fraktionen, für die sie im Frühjahr 2008 ins Parlament gewählt wurden, wobei einige dieser 59 Abgeordneten schon mehrere Fraktionswechsel hinter sich haben.

Mit dieser Masse wird Berlusconi weiter agieren - und wenn es nicht mehr geht, stehen eben Neuwahlen ins Haus. Von seinen Privatsendern unterstützt, die den Italienern seit Jahrzehnten das Gehirn vernebeln, rechnet er sich gute Chancen aus, an der Macht zu bleiben.