)
Im 11. Bezirk werden die Bürger in einem Monat zum Parkpickerl befragt. Knackpunkt sind die Öffis.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Ist es politisches Kalkül oder gelebte direkte Demokratie? Nach dem 19. werden bald auch im 11. und 13. Bezirk die Bürger zum Parkpickerl befragt, und die Bezirksvorstehungen haben versprochen, dem Wählerwunsch zu folgen. Geht man nach den bisherigen Wiener Erfahrungen mit Parkpickerl-Umfragen, ist nach dem Nein in Döbling im November auch eines in Simmering und Hietzing zu erwarten. Dazu stellt der Simmeringer Grünen-Klubobmann Patrick Zöchling fest: "Bisher war kaum eine Befragung im Vorfeld der Einführung positiv. Nachher hat die Zustimmung der Anrainer aber oft zugenommen."
Bezirksvorsteher Paul Stadler (FPÖ) betont jedenfalls, nicht wie seine Amtskollegen in Währing (Parkpickerl seit September 2016, 2012 und 2013 endeten Befragungen negativ) und Favoriten (Parkpickerl ab September 2017) über die Bürger "drüberzufahren". Deshalb will er ab Ende März oder spätestens Anfang April die Simmeringer befragen, ob sie überhaupt ein Parkpickerl wollen und wenn ja, bis wohin. Der 11. Bezirk wurde dafür in drei Zonen aufgeteilt (siehe Grafik). ÖVP-Bezirkschef Wolfgang Kieslich pocht darauf, dass "das Ergebnis auf jeden Fall verbindlich sein muss, da darf dann auch aus dem Rathaus nicht drübergefahren werden - was die Bevölkerung entscheidet, haben alle zu akzeptieren".
Simmeringer Hauptstraße bekäme eigene Kurzparkzone
Von der Fläche her wäre in jedem Fall maximal der halbe Bezirk betroffen. Gärtnereien, Zentralfriedhof, Kraftwerk, Kläranlage und Hafen Albern bleiben ausgenommen, weil dort teils ohnehin Fahrverbote gelten. Ein Stück der Simmeringer Hauptstraße wiederum würde als Geschäftsstraße ausgenommen und bekäme eine eigene Kurzparkzone. Hier bräuchte man also auch mit Parkpickerl Kurzparkscheine. "Sonst würden ja die Simmeringer den Einkäufern die Parkplätze wegnehmen", meint Stadler, der nicht ganz überzeugt ist vom Vorteil der Parkraumbewirtschaftung für die Einwohner: "Jeder Simmeringer dürfte ein Parkpickerl erwerben und damit überall im Bezirk den ganzen Tag stehen. Wer aus Kaiserebersdorf zur U3 muss, würde vielleicht aus Bequemlichkeit mit dem Auto bis dorthin fahren und dann erst recht den dortigen Anrainern ihre Parkplätze verstellen." Das Thema Anrainerparkplätze ohne Parkpickerl ist für Stadler übrigens auch nach dem Döblinger Abblitzen noch nicht gegessen: "Man kann das Gesetz verschieden auslegen. Von verschiedene Juristen habe ich dazu zwei unterschiedliche Interpretationen gehört."
Sollten die Bürger zum Parkpickerl ja sagen, könnte dieses vermutlich im Frühling 2018 eingeführt werden. "Für die Vorbereitung muss man realistischerweise etwa ein Jahr einplanen, bis alle Bodenmarkierungen Tafeln produziert, aufgestellt und alte demontiert sind. Es müssen ja auch die bestehenden Kurzparkzonen dann entfernt werden", so der Bezirkschef. Seinem Stellvertreter Peter Kriz (SPÖ) liefert er damit eine Steilvorlage zu harscher Kritik: "Favoriten führt das Parkpickerl im September ein, und wir in Simmering haben dazu noch immer keine Linie."
"Erst fragen, dann entscheiden - und nicht andersrum"
Stadler kontert, er sei dem 10. Bezirk sogar einen Schritt voraus: "Wir haben schon im November beim Magistrat eine Studie in Auftrag gegeben und befragen nun die Bürger auf dieser Basis. In Favoriten hat man das Parkpickerl gleich einmal beschlossen und sich erst danach überlegt, wo es überhaupt gelten soll."
Eine allzu große Verdrängung von Pendlern aus dem 10. Bezirk befürchtet er übrigens nicht. Probleme sieht er eher auf der Einfahrtschneise aus dem Osten: "Ich fahre täglich aus Kaiserebersdorf zum Bezirksamt am Enkplatz, da sehe ich im Schnitt entlang der Simmeringer Hauptstraße 80 bis 100 Nicht-Wiener Kennzeichen." Rund um die U-Bahn sei die Parkplatznot am größten. "Da muss man Abhilfe schaffen."
Zumindest in diesem Punkt sind sich die Parteien einig. Zöchling hält dazu fest: "Aus unserer Sicht wäre ein Parkpickerl schon sinnvoll, vor allem rund um die U3. Man wird nicht drumherum kommen. Simmering darf nicht zum Parkplatz von Wien werden." Kiesling wiederum hält von Insellösungen bei der U-Bahn wenig. "Die würden wahrscheinlich nur für eine Verdrängung sorgen." Er ist auch gegen ein Parkpickerl im ganzen Bezirk. "In vielen Gegenden ist das Pendlerproblem nicht so groß. Da sind es die Anrainer selbst, die einander die Parkplätze wegnehmen."
Echte Parkpickerl-Fans scheinen im 11. Bezirk nur die Grünen zu sein. Selbst die SPÖ war bisher eher dagegen. "Wir waren der Meinung, dass es sich auch so ausgeht", sagt Kriz. Er will jedenfalls "keine Zwangsbeglückung". Allerdings: "Wenn man gut dokumentieren kann, dass es wirklich für viele Leute ein Vorteil ist, sind wir auch dafür." Deshalb wird in den kommenden Wochen - auch mit Hilfe von ÖAMTC und MA65 - an einem Fragebogen gefeilt, in dem neben den Varianten auch deren mögliche Folgen ausführlich erläutert werden sollen. Zudem gibt es drei Infoveranstaltungen in den drei genannten Zonen.
Linie 6 ist eine "Katastrophe", U3 fährt nicht weit genug
Was den Grünen Zöchling in der ganzen Diskussion stört: "Bisher ist es vor allem ein emotionales Thema, nach dem Motto: ‚O Gott, da will mir jemand meinen Parkplatz wegnehmen!‘ Aber was heißt das für die Luft, für die Gesundheit der Bevölkerung? Das wird gar nicht angesprochen." Für Kriz ist es auch eine finanzielle Geschichte: "Wir haben auch Alleinerziehende mit geringen Einkommen, die ein Auto brauchen. Wenn die fürs Parken bezahlen müssen, kann das schon wehtun." Das sieht auch Stadler so, der ursprünglich ein Gratis-Pickerl wollte. "Ich muss aber auch sagen: Es ist billiger als viele Parkgaragen." Aus dem Rathaus heißt es dazu, dass "10 Euro im Monat nicht gerade eine Unsumme darstellen".
Worin sich die Parteien weitgehend einig sind, ist der Mangel an Auffangmöglichkeiten für Pendler: "Am Stadtrand fehlen dafür Park&Ride-Anlagen", stellen Kriz und Stadler unisono fest. Und Zöchling meint, es bräuchte ein besseres öffentliches Verkehrsangebot: "Der 6er raus Richtung Schwechat ist eine Katastrophe für die Leute, die dort leben. Aber ich glaube, das hat sich mittlerweile in ganz Wien herumgesprochen." Während er hier Stadler gefordert sieht, spricht der Blaue von einem Kampf gegen Windmühlen. "Ich weiß, der 6er ist eine Zumutung. Da stehen Leute 20 Minuten in der Kälte und warten auf die Straßenbahn, die dann heillos überfüllt ist. Und der 71er wird neuerdings ab 19 Uhr kurzgeführt. Das sind doch Schikanen." Er habe allerdings ein halbes Jahr warten müssen, bis er einen Termin bei der zuständigen Stadträtin Ulli Sima bekommen habe, um ihr nun diese Woche 3000 Unterschriften von Bürgern zu übergeben. Diese fordern, die Linie 71 wieder bis Kaiserebersdorf zu führen, wie es vor der Verlängerung der Linie 6 der Fall war. Die Wiener Linien sehen allerdings mangels Auslastung keinen Bedarf dazu. Dafür wurden einige Busverbindungen in Kaiserebersdorf verbessert.
In Simas Büro kann man übrigens Stadlers Vorwurf, er habe so lange auf einen Termin warten müssen, nicht nachvollziehen: "Anliegen der Bezirksvorsteher versuchen wir möglichst rasch und auf kurzem Weg zu klären", heißt es dazu auf Anfrage. "Wenn er wirklich so lange warten musste, steckt jedenfalls keine Absicht dahinter. Außerdem war er schon mehrfach hier bei uns."
Stadler ärgert sich auch darüber, dass zwar U-Bahnen nach Aspern und nach Oberlaa verlängert wurden und werden, "aber die U3 in Simmering im ersten Drittel des Bezirks endet". Aus seiner Sicht müsste diese eigentlich mindestens bis Schwechat geführt werden, mit einer großen Park&Ride-Anlage an der Endstation. "Und dann wäre es zum Flughafen auch nicht mehr weit. Wien ist eine Weltstadt, da wäre eine U-Bahn-Anbindung zum Airport doch nur logisch. Natürlich weiß ich, dass Wien und Niederösterreich da nie zusammenkommen werden, wenn es über die Stadtgrenzen hinausgeht. Aber da müsste halt einmal der Bund einschreiten."
"Rot und Grün im Rathaus sind meine besten Wahlhelfer"
In Richtung Rathaus ätzt Stadler: "Bei der Angelobung meiner Vorgängerin Eva-Maria Hatzl von der SPÖ hat der Herr Bürgermeister öffentlich versprochen, sich dafür einzusetzen, dass die U3 in der Planung forciert wird. Aber offenbar hat man seitens der rot-grünen Stadtregierung kein Interesse an Verbesserungen in Simmering, seit ich Bezirksvorsteher bin." Er meint dazu polemisch, dass darunter die Bevölkerung leide. "Ich selber profitiere sogar politisch davon. Die sind ja meine besten Wahlhelfer. Wenn sie so weitermachen, habe ich bei der nächsten Wahl nicht 401, sondern 4000 Stimmen Vorsprung. Ich brauche nur den Leuten zu sagen, was ich umsetzen will und was blockiert wird." Nachsatz: "Mir ist das doch egal, ob ich es als FPÖ-Bezirkschef schaffe oder die Roten sich auf ihre Fahnen heften, dass unsere Öffi-Verbindungen verbessert werden. Hauptsache, die Straßenbahn fährt endlich ordentlich."