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Das Gute an der Demokratie ist, dass sie - jedenfalls in ihren Grundprinzipien - eine einfache Sache ist. Das Dumme an der EU ist, dass sie unendlich kompliziert ist. Mit der Demokratie ist es damit irgendwie wie mit dem Fußball, der ja auch, oberflächlich betrachtet, nur ein Spiel zweier Mannschaften darum ist, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. Erst wenn man sich auf das Spiel wirklich einlässt, entwickelt man ein Gespür für die Tiefe und die Feinheiten.
Bei der EU, und noch viel mehr bei der sich entwickelnden europäischen Demokratie, ist dagegen überhaupt nichts einfach. Für Profis ist das kein Problem; die auf dem grünen Rasen können ja auch mit Begriffen wie falsche 9, Gegenpressing oder Box-to-Box-Mittelfeldspieler etwas anfangen. Aber wenigstens alle fünf Jahre prallt das Einfache auf das Komplizierte, wenn die Wahlen zum EU-Parlament näher rücken, die im kommenden Mai anstehen.
Bei der Wahl für das EU-Parlament ist aber überhaupt nichts einfach und einleuchtend. Nicht einmal, wer wen warum und für was wählt, ist mit der nötigen Klarheit geregelt. Die Bewerbung des bayrischen EU-Politikers Manfred Weber für die Spitzenkandidatur der Europäischen Volkspartei ist dafür ein wunderbares Beispiel.
Nominell bewirbt sich Weber um eines von (nicht einmal das ist gewiss) insgesamt 705 Mandaten. In Wirklichkeit will er aber, wenn er Spitzenkandidat der EVP und diese stärkste Kraft werden sollte, Präsident der EU-Kommission werden. Dass er das will, ist verständlich, schließlich können die Abgeordneten des EU-Parlaments nicht einmal Gesetzesentwürfe einbringen, dieses Recht liegt allein bei der EU-Kommission. Das Recht, deren Präsidenten zu benennen, liegt rechtlich allerdings in den Händen der künftig 27 Staats- und Regierungschefs der EU; es gibt bloß eine politische Empfehlung, dabei den Ausgang der EU-Wahlen zu berücksichtigen.
Gewählt werden zudem nationale Parteien, dementsprechend waren EU-Wahlen bisher stets Momentaufnahmen nationaler Stimmungslagen; aus 27 eigenständigen Voten die Fiktion eines EU-weiten Volkswillens zu destillieren, ist vorerst noch europapolitische Alchimie.
Aber das wird sich und muss sich ändern. Denn wenn es zur Europäischen Union keine sinnvolle Alternative gibt, gilt das auch für die europäische Demokratie. Die EU-Wahlen sind die nächste Möglichkeit, dass auch die Bürger an diesem Langzeitprojekt mitbauen. Damit das gelingt, muss die Politik dringend die elementaren Spielregeln vereinfachen. Auf dass es auch in der EU zunehmend darum geht, das Runde im Eckigen unterzubringen. Die notwendigerweise komplizierten Details nimmt den Profis ohnehin keiner weg.