Tulsa · Vor fast acht Jahrzehnten wurde in der hübschen und reichen Ölboom-Stadt Tulsa in den grünen Weiten des US-Bundesstaates Oklahoma ein grausames Rassenmassaker verübt. Obwohl | Historiker die "Tulsa Riots", den Aufruhr von Tulsa, als den blutigsten Zusammenstoß zwischen Weißen und Schwarzen in den USA nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs werten, erwähnen amtliche | Akten, Schul- und Geschichtsbücher die Ereignisse des 1. Juni 1921 bis heute mit keinem Wort.
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In den Morgenstunden des Frühsommertags marschierten mehrere tausend bewaffnete Weiße über die Bahnlinie hinweg in das Schwarzenviertel Greenwood. Am Abend lag Greenwood in Schutt und Asche. 30
Straßenblöcke mit mehr als 1.000 Gebäuden waren verbrannt, darunter Kirchen, Schulen, Geschäfte, ein Krankenhaus und zahllose Wohnhäuser. Zwischen 100 und 200 Schwarze wurden von der rasenden Menge
verbrannt, erschossen oder erschlagen. Die genaue Zahl der Opfer wurde nie festgestellt. Aber damals sorgte das Blutbad nur einige Tage lang für Meldungen in der US-Presse. Dann verschwand es für
fast 70 Jahre unter einem Mantel des Schweigens. Auch die Bürger von Tulsa sprachen darüber nicht. Schwarze schwiegen aus Angst, Weiße aus einer Mischung aus Scham und dem Wunsch nach Verdrängung.
Über die Vorgänge, die das Massaker von Tulsa auslösten, herrscht Unklarheit. Ein 17-jähriger schwarzer Schuhputzer namens Dick Rowland hatte in einem Fahrstuhl einen Zusammenstoß mit der weißen
Liftbedienerin Sarah Page. Rowland soll die junge Frau, die später auf eine Anklage verzichtete, angegriffen haben. Als wahrscheinlicher gilt inzwischen, dass der unbeholfene Bursch der Frau auf den
Fuß trat, worauf diese ihn ohrfeigte und ein lauter Streit entstand.
Rowland wurde festgenommen. Während die Polizei zunächst keinen schwer wiegenden Fall sah, schrien die örtlichen Tageszeitungen nach Rache. Vor dem Gerichtsgebäude versammelte sich ein weißer
Lynchmob. Daraufhin kam eine Gruppe von Schwarzen aus Greenwood, um Rowland zu schützen. Um das Gericht entstanden Kämpfe, Schüsse fielen und es gab Verletzte auf beiden Seiten. Am nächsten Tag dann,
dem 1. Juni 1921, bewaffneten sich Tausende von Weißen und zogen nach Greenwood.
"Ich verstehe nicht, warum die Nationalgarde nur die Neger fest nahm", sagte der schwarze Lehrer W.D. Williams nach dem Massaker. "Die Weißen behielten ihre Gewehre, schlugen uns, plünderten. Wir
mussten mit erhobenen Händen zum Festplatz marschieren, während die Weißen johlten." Mehr als 5.000 Schwarze wurden von Polizei und Nationalgarde interniert. Unter den Toten war auch der Arzt Dr.
A.C. Jackson, der als einer der besten schwarzen Chirurgen der USA galt. Er wurde erschossen, als er sich mit erhobenen Händen ergab. Augenzeugen des Massakers berichteten später von Verbrennungen
bei lebendigem Leibe und von Leichen, die hinter Autos durch die Straßen geschleift wurden.
Bei den Weißen von Tulsa stießen die Berichte zunächst auf wenig Mitgefühl. "So ein Bezirk wie das alte Niggertown darf in Tulsa nie wieder erlaubt werden", schrieb der Kommentator der Zeitung
"Tulsa Tribune". "Dort waren eine Menge schlechte Nigger, und ein schlechter Nigger ist so ungefähr das niedrigste Wesen, das auf zwei Beinen läuft."
Hintergrund der Unruhen war die soziale Situation in Tulsa, das sich durch seine Ölmillionen zu einem lebendigen Industrie- und Handelszentrum des Mittelwestens entwickelt hatte. Auch das
Schwarzenviertel Greenwood blühte auf, mit Hotels und Jazz-Bars, Kinos, Theatern und Cafes. Es gab schwarze Geschäftsleute und Entrepreneurs. Greenwood wurde damals weit über die Grenzen Oklahomas
hinaus bekannt und erhielt den Spitznamen "Negro Wall Street". Doch man schrieb die 20er Jahre: Das Land war von tiefer Rassentrennung geprägt und Lynchjustiz war in den Südstaaten an der
Tagesordnung. Vielen weißen Amerikanern waren damals selbstbewusste, gut gekleidete Schwarze ein Dorn im Auge.
Erst in den 90er Jahren begannen einige Bürger, Politiker und Journalisten, die Geschichte des Massakers auszugraben. In der "New York Times" lief 1996 · 75 Jahre danach · ein Artikel über das
Blutbad. Der schwarze Politiker Don Ross, der selbst in Greenwood aufwuchs, war maßgeblich daran beteiligt, die Erinnerung zu wecken. Vor zwei Jahren setzte Oklahoma eine Kommission zur Untersuchung
des Massakers ein, die kürzlich die Zahlung von Reparationen an die Überlebenden vorschlug.
Ob es dazu kommen wird, ist nicht klar. Greenwood ist heute ein eher trostlos wirkendes Viertel, das von einem Highway und breiten Bahnlinien zerschnitten wird. In einem neuen Kulturzentrum zeigt
eine Ausstellung grausame Fotos des Blutbades. Vielleicht wird man bald auch in den amerikanischen Geschichtsbüchern über den 1. Juni 1921 lesen können.