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Simulationsexperte Popper: "Das ist jetzt die Nagelprobe"

Von Simon Rosner

Politik

Laut Simulationsexperten Niki Popper sind Eigenschaften des Virus ideal für erfolgreiches Containment. Man muss jedoch sehr schnell sein.


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Als Österreich Mitte März in den Lockdown ging, gab es etwa 1000 nachgewiesene positive Fälle auf das neue Coronavirus. Am Montag wurde die 1000er-Marke an aktiv Infizierten erneut geknackt, einen Lockdown wird es aber trotzdem nicht geben. Denn auch wenn sich die nackten Zahlen gleichen, steckt hinter diesen eine andere Situation.

Zum einen dürfte aufgrund höherer Testkapazitäten, einer wenigen restriktiven Teststrategie und einer wachsameren Bevölkerung im Vergleich zum März die Dunkelziffer geringer sein. Zum anderen weiß man heute über das Virus und seine Eigenschaften besser Bescheid. Dazu kommt, dass der Sommer, bei dem sich das soziale Leben nach draußen verlagert, hilfreich ist.

Eine Charakteristik des Virus ist die ungleiche Verteilung der Ansteckungen. Der Fachausdruck dafür ist Überdispersion. Die meisten Infizierten geben das Virus gar nicht weiter, einige wenige dafür an sehr viele. Das ist anders als bei der Grippe, und eine grundsätzlich gute Nachricht.

"Dadurch ist die Chance sehr viel höher, dass wir das Infektionsgeschehen durch Containment in den Griff bekommen", sagt der Simulationsexperte Niki Popper. Dieses Wissen hatte man im März noch nicht. Entscheidend sind dabei zwei Aspekte. Je höher das Grundniveau der Infizierten ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter Superspreader finden. Daher muss das "Grundrauschen", wie es Popper nennt, möglichst niedrig gehalten werden. Der zweite Punkt betrifft das Contact Tracing, also das Finden, Nachverfolgen und Isolieren von Infizierten und potenziell angesteckten Personen. Das muss schnell sein.

Erfolgreiche Screenings

Die Simulationsmodelle zeigen, dass es in der Theorie möglich ist, dieses Virus in dem Sinn zu beherrschen, dass es nicht wieder zu seinem so rapiden Wachstum kommt wie im März. Doch in der Praxis? "Das ist jetzt die Nagelprobe", sagt Popper. Er befürchtet, dass man in Österreich derzeit etwas zu langsam sein könnte, dass zuviel Zeit vergeht zwischen dem Auftauchen von Symptomen und dem Testergebnis. Zudem werden Personen mit direktem Kontakt zu Infizierten in Oberösterreich nur getestet, wenn sie Symptome entwickeln. Unter Quarantäne gestellt werden sie jedoch schon.

Neu in der Teststrategie des Bundes sind dagegen Screenings von asymptomatischen Personen in Bereichen, die sich anderswo als Infektionsherde erwiesen haben. So wurden nun auch Fälle von einigen Infizierten in drei Schlachthöfen in Oberösterreich entdeckt, das mittlerweile die meisten aktiv Infizierten hat.

Das Contact Tracing soll sich durch eine recht eilige Maßnahme der Bundesregierung beschleunigen. Bereits am Dienstag soll das Epidemiegesetz dahingehend geändert werden, dass die Polizei die Gesundheitsbehörden nicht nur unterstützt, sondern auch selbst Erhebungen von Krankheitssymptomen vornehmen soll. So steht es in einem Entwurf von ÖVP und Grünen. Die Neos kritisieren dies, sie verstehen weder, dass dieser Antrag im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats behandelt wird, noch dass Polizisten bei der Erhebung und Bewertung von Krankheitssymptomen mitwirken sollen. "Das ist absurd und inakzeptabel", sagt Neos-Abgeordneter Gerald Loacker.