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Johannes Voggenhuber analysiert die Niederlage des Demokratiebegehrens.
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"Wiener Zeitung": Ist das Instrument des Volksbegehrens tot?Johannes Voggenhuber: Im Augenblick ist es untauglich und leblos. An einem gewissen Punkt kippte die chronische Missachtung von Volksbegehren bei der Bevölkerung in Abwehr und Ablehnung um. Beim Bildungsvolksbegehren haben die Menschen noch einmal auf dieses Instrument gesetzt - wenige Wochen später wurde es lautlos entsorgt. Ab dem Moment haben wir auf der Straße nur noch gehört: "Glaubt ihr denn, dass ihr damit irgendetwas verändern könnt?"
Sebastian Kurz hat die Demokratiereform in ein Paket gegossen, ist aber an der SPÖ abgeprallt.
Das Demokratiepaket, das im Parlament liegt, beinhaltet nichts aus dem Kurz-Paket, es wurde aber auch mit den Stimmen der ÖVP beschlossen. Daher gehe ich von einer stillen Kumpanei aus. Die Rolle der SPÖ in dieser Frage wird in die Geschichtsbücher eingehen: Mit jahrelangem absoluten Schweigen hat sie sich der politischen Destabilisierung des Landes mitschuldig gemacht. Auch die Grünen haben mitgespielt: Sie hatten einen Vorstandsbeschluss für unser Volksbegehren, dann hieß es, es sei zu wenig. Das diente als Ausrede, sich aus Wahlkampfstrategie von der Unterstützungszusage zurückzuziehen, um am letzten Tag doch wieder Hilfe zu signalisieren.
Müsste nicht die Erneuerung aus den etablierten Parteien kommen?
Nein, sonst wären sie nicht in dem Zustand, in dem sie sind. SPÖ und ÖVP hatten beide schon einmal die Chance auf eine absolute Mehrheit, inzwischen haben sie die gemeinsame Verfassungsmehrheit verloren. Das Scheitern des Volksbegehrens halten sie nur für unsere Niederlage, dabei sind wir an dem von ihnen geschaffenen Vertrauenskonflikt gescheitert. Wir sind in den Abgrund des Misstrauens gefallen, den sie geschaffen haben.
Sie und Ihre Mitstreiter wurden oft als pensionierte Altpolitiker abgetan, die auch mitmischen wollen.
Ich halte das für eine offene Diskriminierung. Wir haben versucht, mit dem Proponentenkomitee einen überparteilichen Weisenrat zu bilden. Es ist die Frage, ob uns das gelungen ist. Wir wurden weiterhin nach dem Freund-Feind-Schema beurteilt. Ich glaube nicht, dass wir einfach so weitermachen. Es gibt viele Demokratiebewegungen und Initiativen und es gibt die 70.000, die trotzdem unterschrieben haben. Jetzt wird man neue Wege suchen, um von beiden Seiten eine Brücke über den Abgrund zu bauen.
Wie könnten die aussehen?
Das zerstörte Instrument des Volksbegehrens muss generalrenoviert werden. Ab einer gewissen Grenze - die darf nicht erst bei 600.000 Unterschriften liegen - müssen Begehren verbindlich werden. Und sie müssen finanziell annähernd so ausgestattet sein wie die Parteien. Die Medien müssen erkennen, dass sie eine gewisse Berichtspflicht haben.
Und was können Sie selbst tun?
Demokratie wird nicht von oben verliehen, sondern sie muss von unten errungen, ertrotzt und erkämpft werden. Wir haben das jetzt schockartig erkannt und müssen uns zusammenfinden, um dieser Parteienherrschaft das abzutrotzen, was in unserer Verfassung verbrieft ist, in der Realverfassung aber verweigert wird.
Wie wollen Sie das anstellen?
Lassen Sie mich nachdenken. Obwohl ich mir der Dynamik der Unterstützung bewusst war, habe ich nicht damit gerechnet, dass es nur 70.000 werden. Ich muss diesen Schock verarbeiten.
Sie bekritteln mangelnde mediale Aufmerksamkeit. Das Begehren war aber nicht nur aus Sicht der Medien zu langatmig aufgezogen.
Wir waren schon im Jänner bereit für die Eintragungswoche, die Innenministerin hat uns den letztmöglichen Termin gegeben, um uns zu zermürben. Wir konnten zum Teil auch die Spannung nicht halten. Wir sind das Risiko eingegangen, relativ abstrakt zu sein, um zu den Konflikten und auch eine emotionale Verbindung herzustellen. Aber es war vielleicht zu viel fürs erste Mal.
Es gibt ein zweites Mal?
Sicher mit anderen Mitteln und mit anderen Möglichkeiten. Denn im Augenblick ist ein Volksbegehren völlig sinnlos.
Zur Person
Johannes Voggenhuber
Der 62-Jährige war von 1995 bis 2009 Europaabgeordneter für die Grünen. Nachdem er nicht mehr aufgestellt wurde, engagiert sich in der Demokratieinitiative MeinOe.