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Als der ÖVP-Bauernbund die Journalisten dieser Tage zum traditionellen Sommerheurigen lädt, wird österreichisches Deutsch und nicht Agrarisch gesprochen. Worte wie "Großvieheinheiten" und "dynamische Modulation" sind nichts für einen Heurigen. Dafür blühen die Fantasien darüber, wie es so einem typischen österreichischen Bauern in zehn Jahren ergehen könnte - wenn das Wirklichkeit wird, was der EU-Agrarkommissar Franz Fischler Anfang Juli vorgeschlagen hat.
Nichts mehr produzieren werden sie, sondern Rasenmähen und dafür Subventionen kriegen. Und irgendwann wird ein Politiker aufstehen und sagen: Es reicht, und die Öffentlichkeit wird Beifall klatschen. Und wenn der Traktor nicht die vorgeschriebene Anhängerkupplung hat, wird der Bauernhof nicht zertifiziert. Dann gibt's nicht einmal mehr Subventionen für's Rasenmähen. Und außerdem: Man will den Bauern Geld wegnehmen, 20 Prozent über fünf Jahre. Wo gibt's das sonst noch? "Was würden Sie und die Gewerkschaft sagen, Herr Redakteur, wenn ihr Chef sagt: Über die nächsten fünf Jahre gibt's jedes Jahr 3 Prozent weniger Lohn?"
Zum Heurigen sind sie alle gekommen, von der "schwarzen Großbauern-Lobby", wie sie in den vergangenen Tagen von den Roten und Grünen immer wieder tituliert worden sind: Die Chefs des ÖVP-Bauernbunds, Fritz Grillitsch und Josef Pröll, Landwirtschaftskammerpräsident Rudolf Schwarzböck und sein Generalsekretär August Astl und auch Wilhelm Molterer schaut auf eine Stunde vorbei.
Eigentlich würde jetzt nur mehr Fischler-Franz fehlen, aber der gehört ja spätestens seit vergangene Woche irgendwie nicht mehr dazu. Richtig bös' ist dem wuchtigen EU-Kommissar trotzdem niemand. Auf die Idee, ihn wie die FPÖ "Bauernverräter" zu nennen, käme keiner. Der "Fisch" hat ja sein Handwerk in Österreich gelernt - ein ehemaliger Klassenkamerad sozusagen, der's weit gebracht hat und der, eben deswegen, nun anrüchige Dinge treibt oder treiben muss.
Ein ausgefuchster Profi sei der Fischler ja, das Reformpapier war perfekt ausgeklügelt, um in der Öffentlichkeit maximal zu punkten. Die Aufmachung und alles - Hut ab. Nur leider, was im Kleingedruckten steht, passt überhaupt nicht dazu. "Die europäischen Journalisten sind dem Fischler voll auf die Überschriften hineingefallen", sagt Astl.
Und dass der Fischler seinen Vorschlag so überfallsartig gemacht hat, war auch nicht Okay. Dass er die "agrarischen Interessensvertreter" - besonders seine alten Klassenkameraden - so lang über seine wahren Absichten getäuscht hat, war nicht fein. Fährt dem deutschen Bundeskanzler Schröder noch Mitte Juni in die Parade und sagt, die Agrarreform darf nicht mit der EU-Erweiterung verknüpft werden. Und 14 Tage später legt er so ein Papier vor!
Agrarpolitisch spannend wird das nächste halbe Jahr auf jeden Fall, da sind sich alle einig. Und ein bisschen mulmig ist ihnen auch dabei, aber wirklich beunruhigt wirkt keiner. Die Franzosen haben schon Nein gesagt und wer weiß - vielleicht sitzt im nächsten Herbst schon ein bayerischer Konservativer im Berliner Kanzleramt und nicht "Rot-grün". Dann ist der Spuk sicher vorbei, und zwar ein für allemal. Oder wenigstens bis 2005, wenn die EU über ihre nächste Finanzperiode entscheidet.