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Sind die Esten da die Besten?

Von Günther Voith

Wissen

Die Finanzierung der Universitäten im Musterstaat Estland. | Ein System, an dem sich Österreich orientieren könnte. | Wien. Sehen wir in Österreich auch bei den Universitätsproblemen nicht zu wenig über die Grenzen? Der jetzt gelobte Musterstaat Estland stand nach der Wende 1992 gerade auch im Hochschulwesen vor riesigen Problemen: Für das kleine Land fast zu viele qualitativ gute Hochschulen, viele Lehrer, viele Studenten und kaum Geld. Wie für viele Staatsfunktionen hat Estland auch für die Finanzierung des Hochschulwesens ein höchst interessantes, modernes System eingerichtet.


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Freiplätze für die Besten

Der Staat legt jährlich im Voraus (spätestens ein Jahr vorher) für jede Universität eine bestimmte Anzahl an Studienplätzen fest, die an die besten Maturanten zu vergeben sind, die sich darum bewerben. Für diese Studenten ist das Studium völlig kostenlos, das heißt der Staat übernimmt alle Studienkosten. Wer sind die Besten? Wer studieren will, legt nach der Matura ein einheitliches Staatsexamen ab; darüber hinaus können die Universitäten von sich aus zusätzliche Aufnahmebedingungen vorschreiben.

Ausländer aus der EU können genau so in den Genuss des kostenlosen Studiums kommen; bei ihnen liegt es an der Entscheidung der Universitäts-Aufnahmekommission, wie ihre Voraussetzungen bewertet werden. Freilich ist der Andrang wegen der Sprachbarriere nicht groß, man baut aber zunehmend englischsprachige Studiengänge auf. In Estland heißt man ausländische Studenten besonders willkommen, da man damit rechnet, dass manche im Land bleiben und den Bevölkerungsrückgang abschwächen und die anderen Werbeträger für Estland werden!

Gebühren und Kredite

Wer nicht die Qualitätsvoraussetzungen für ein kostenloses Studium bringen kann, dem stehen zwar auch alle Universitäten offen, aber nur mit entsprechenden Studiengebühren. Die Studiengebühren betragen je nach Fachbereich zumindest rund 1000 Euro je Semester, bei Medizinern ein Vielfaches davon.

Mit der Gewährung kostenloser Studienplätze ist zwar kein staatliches Stipendium verbunden; doch allen Studenten, auch Ausländern, werden sehr günstige Bankdarlehen angeboten. Zudem gibt es private Organisationen, die, natürlich auch für die nicht kostenlosen Studienplätze, Stipendien aller Art vergeben.

Das estnische System hat zweifellos eine Reihe von Vorzügen, sowohl für den Staat als auch für die Universitäten und letztlich auch für die Studenten und Absolventen:

Der Staat kann zukunftsträchtige Studien fördern.

Die Budgets sowohl für den Staat wie für jede Universität sind gut im Griff und änderbar.

Die Universitäten haben viel Entscheidungsfreiheit und einiges an Geld.

Dank dem Auswahlverfahren ist das Niveau für Forschung und Lehre hoch.

Alle Arten von Hochschulen, zum Beispiel auch Eliteschulen, lassen sich in das System einbeziehen.

Gratis studiert, wer gut lernt; das gefällt auch dem Steuerzahler.

(EU-)Ausländer sind nicht diskriminiert; man hat freilich das Selbstvertrauen, auch Inländern gute Studienerfolge zuzutrauen.

Unzufrieden könnten höchstens Berufsstudenten mit langer Studiendauer auf Staatskosten sein.

Modell für Österreich?

Wie wäre es, wenn Österreich das Prinzip übernimmt und es wegen der Problematik der deutschen Mediziner durch massive Stipendien nicht direkt vom Staat, aber nur für Inländer ergänzt? Zudem hätte es die Regierung zusammen mit den Universitäten in der Hand, Nullquoten für bestimmte Fächer und Begrenzungen für die zahlenden Studenten festzulegen.

Der Autor war jahrzehntelang in der Wirtschaft tätig und gehörte dem Österreich-Konvent an.