Zum Hauptinhalt springen

Sind die Österreicher noch zufriedene Patienten?

Von P. R. Lang

Wissen

Ärzte gehören zur beliebtesten Berufsgruppe. Nun, die Menschen werden zwar kritischer, doch das Vertrauen zu den "Göttern in Weiß" ist nicht erschüttert. Als schwerwiegendes Manko wird freilich empfunden, dass die Zeit, die ein Arzt für den Patienten aufwendet, sehr bemessen ist. Sein Wartezimmer quillt über, Hausbesuche stehen an.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der so wichtige psychologische Faktor, das auf Vertrauen basierende Gespräch Arzt - Patient, kommt meistens zu kurz. Zum Schaden des Kranken. Die Befürchtung ist schon laut geworden, dass wir uns bei anhaltendem Trend auf eine Zweiminutenmedizin zubewegen. In dieses Schreckensszenario passt denn auch die Ansicht namentlich älterer Patienten, wonach ihnen das Gespräch im Wartezimmer am meisten geholfen hat.

Solange aber die Gesundheit der wichtigste Wert des Lebens ist, solange wird dem Arzt auch Vertrauen entgegengebracht. Das Gesetz ist jedenfalls auf Seiten des Patienten. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch muss er restlos aufgeklärt werden, auch wenn die Zeit noch so knapp ist. Er hat das Recht auf optimale Diagnose und Therapie nach dem letzten Stand des medizinischen Wissens.

Im Ärztegesetz heißt es unter § 49, Absatz 1: "Der Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden oder Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen." Und weiter im Text: "Der Arzt hat nach Maßgabe der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Beibehaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl des Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren." Unter diesem zweifachen Schutzmantel fühlt sich der Patient geborgen. In der Realität hat der Gesetzgeber die Gegebenheiten relativiert: Je dringender der Eingriff, desto geringer die Aufklärungspflicht. Wenn es um lebensrettende Maßnahmen geht, verhält es sich anders als bei Behandlungen, die eine hohe Nebenwirkungsrate aufweisen. Je älter die Menschen werden, desto größer ist die Sehnsucht nach Gesundheit. Gleichzeitig tritt leider oft der Fall ein, dass der Alterungsprozess auch kränker macht.

Es treten Krankheiten auf, die in neue medizinische Bereiche eindringen. So ist zum Beispiel das Rauchen seit 1. 1. 2001 als Krankheit definiert. Durch zu wenig Bewegung, durch Stress und falsche Ernährung nimmt das Bewusstsein von Erkrankungen ständig zu. Gegen diese Zivilisationskrankheiten hat sich die sogenannte "Lebensstilmedizin" formiert. Sie ist eine Disziplin, die sich vorrangig der Prävention und der Therapie eben dieser Zivilisationskrankheiten und deren Folgen widmet.

Die wachsende Bedeutung der Lebensstilmedizin ist eine zwangsläufige Folgeerscheinung der sozialen Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird immer höher, andererseits werden die sozialen Bindungen im privaten und beruflichen Bereich zunehmend kurzlebiger und belastender. Hier kommt die erste Hilfe vom Patienten selbst; durch ein vernünftiges Lebensverhalten, das ihn vor Beschwerden und möglichen Gesundheitsgefahren abschirmt. Der gesunde Mensch ist jedenfalls in die Definition der Weltgesundheitsorganisation fest eingebunden, die besagt, dass "Gesundheit nicht bloß die Absenz von Krankheit, sondern umfassendes körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden" bedeutet.

Der kranke Mensch ist sozial abgesichert, auch wenn ihn höhere Rezeptgebühren und Ambulanzgebühren Geld kosten. Dass Strukturänderungen aus Kostengründen vorgenommen werden, lässt ihn schon eher befürchten, dass die optimale Behandlung darunter leidet. Bettensperren und reduziertes Pflegepersonal bewirken oft kürzere Spitalsaufenthalte. Das bedeutet, dass die Behandlung des Patienten ambulant fortgesetzt werden muss, was auf die Dauer schon teuer werden kann.

Hier bricht ein altes Fixdenken durch: Die Krankheit soll nichts kosten, für die Gesundheit ist nichts zu teuer. Vermehrt suchen viele Österreicher ein Wellnesshotel auf, in dem alles, was der Erhaltung der Gesundheit dient, gebündelt angeboten wird.

Wie auch immer: Im Krankheitsfall vertraut der Österreicher der Schulmedizin und ihren großen Fortschritten. Auf der anderen Seite will er in der Arztpraxis sein Grundbedürfnis nach Kommunikation erfüllt sehen. Noch aber ist es nicht soweit. Vorerst beschränkt sich der Arzt auf das Wesentliche, das Krankheitsbild, die Symptome und die entsprechende Therapie. Es fehlt ihm an der Zeit, auf die Befindlichkeit des Patienten einzugehen.