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Sind Dienstautos staatlich geförderter Klimabetrug?

Von Farhad Shikhaliyev

Gastkommentare

Flexibles Mobilitätsbudget als Alternative - und als mächtiger Hebel für die Klimaziele.


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Homeoffice, Remote Working oder hinfällige Präsenztermine - seit der Pandemie wollen vor allem Stadtbewohner und Berufspendler ihre berufliche Mobilität flexibler gestalten. Das hat das Mobilitätsverhalten österreichischer Arbeitsmarktteilnehmer deutlich verändert. Sie suchen zuverlässige und komfortable Mobilitätsangebote, die sie sinnvoll miteinander verknüpfen können. Je jünger Angestellte eines Unternehmens sind, desto stärker werden Alternativen zum Dienstwagen nachgefragt. Erstens haben viele gar keinen Führerschein mehr, zweitens ist ein Firmenwagen auch nicht mehr das Prestigeobjekt, das er einmal war.

Arbeitnehmer möchten heute selbst entscheiden, wie sie ihre Arbeitswege bestreiten, und dabei möglichst ungebunden bleiben. Wollen Unternehmen begehrte Young Professionals gewinnen, sind sie gefordert, auch zeitgemäße Mobilität anzubieten. So berichtet etwa das McKinsey Center for Future Mobility, dass "von den Beraterinnen und Beratern, die in Deutschland bei McKinsey einsteigen, "inzwischen 80 Prozent ein Mobilitätsbudget dem klassischen Dienstwagen vorziehen". Mobilitätsangebote dienen nicht mehr nur dazu, die Mobilität der Belegschaft sicherzustellen, es sind auch wichtige Motivationsinstrumente im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte.

Der Dienstwagen und das Schnitzel

Da gibt es nur ein Problem: Österreicher und ihr Dienstauto - das ist eine epische Liebesgeschichte. Eine staatlich geförderte, die Generationen von Arbeitnehmern private Mobilitätskosten erspart. Gefühlt kommt das Dienstauto im Innigkeitsranking knapp nach dem Schnitzel. Für die Umwelt ist der Firmenwagen aber auch ähnlich verträglich wie das Schnitzel für die Denkleistung nach dem Mittagessen. Immer noch ist er ein Privileg. Wer einen Dienstwagen fährt, zählt eher zum höhergestellten Teil einer Belegschaft oder zum Außendienst und anderen Menschen, die das Privileg genießen, bis zu 40.000 Kilometer pro Jahr hinterm Lenkrad zu sitzen. Wer will auch schon im überfüllten Zug mit anderen schwitzen, wenn er stattdessen - überspitzt formuliert - den Geruch der Ledersitze im vollklimatisierten Audi A4 genießen könnte?

Der Berufsverkehr macht ein Drittel aller Wege in Österreich aus. Österreichs Verkehr hat den zweithöchsten CO2-Ausstoß pro Kopf in der EU. Und zwei von drei Neuwagen werden laut Statistik Austria auf juristische Personen, also etwa Unternehmen, zugelassen, nur ein Drittel auf Privatpersonen. Das deckt sich übrigens mit den EU-Zahlen. Der Dienstwagen von heute ist der Gebrauchtwagen von morgen. Mindestens 700.000 Firmenautos rollen auf Österreichs Straßen - was für ein mächtiger Hebel, um Österreichs Klimaziele zu erreichen. Auch in diesem Bereich muss in Hinblick auf die Klimaziele der CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden. Ein wunderbarer Anlass, um sich zu fragen: Wie sollte die Mobilität österreichischer Arbeitnehmer aussehen, die der Staat und Unternehmen so intensiv fördern?

Wunsch nach Flexibilität als Treiber

Nun gut, Österreich besteht nicht nur aus Städten und Speckgürteln. Und in der Region erfüllen Dienstautos essenzielle Lebensbedürfnisse, die anderweitig noch nicht gleichwertig gestillt werden können. Aber für alle anderen endet die Lebensqualität, wenn sie in der Stadt versuchen, ein Auto zu parken. Pendler in Wien und Umgebung stehen im Durchschnitt knapp 50 Stunden pro Jahr im Stau, sagt die Unternehmensberatung EY. Aber auch beim Fahren geht Zeit komplett verloren, während man sich in den Öffis auf einen Termin vorbereiten, etwas lesen oder sich einfach entspannen kann. Wer reserviert, hat gute Chancen auf eine angenehme Bahnfahrt. Während beim Dienstwagen Ressourcen eher weniger geschont werden - weder bei der Anschaffung noch bei der Nutzung. Zahlt ja eh alles die Firma.

Österreichs Flottenmanager denken betriebliches Mobilitätsmanagement aber schon länger über das Dienstauto hinaus, wie eine Studie der Leasing-Bank Arval zeigt. So wollen bereits drei Viertel Fahrgemeinschaften ausbauen und zwei Drittel Mobilitätsbudgets zur flexiblen Nutzung von Bus, Bahn, Rad oder Auto zur Verfügung stellen. Dabei stellen Unternehmen also kein festes dienstliches Fahrzeug mehr bereit, sondern ein Budget, das die Belegschaft flexibel einsetzen kann, um klimaschonende Verkehrsmittel zu benutzen: Öffis, Carsharing, (E-)Fahrrad, Taxi etc. Abgerechnet wird per App. Wird das monatliche Budget nicht voll ausgeschöpft, kann das restliche Geld für andere Zwecke verwendet werden.

Laut "Fleet Barometer" des Arval Mobility Observartory setzen bereits 13 Prozent aller großen Firmen in Europa auf Mobilitätsbudgets, weitere 29 Prozent wollen es binnen drei Jahren einführen. Natürlich ist ein flexibles Mobilitätsbudget kein Allheilmittel für den Berufsverkehr, und das beste Dienstauto ist eines, das wir gar nicht benötigen. Aber lassen wir doch die Mitarbeiter selbst wählen, wie sie sich fortbewegen wollen, bevor wir die nächste Flotte ordern.