Wie Firmen die Krise meisterten, untersuchte Berater Rudolf Wimmer.
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Wien. Haben Familienunternehmen die Krise besser bewältigt als andere, etwa kapitalmarktgesteuerte Aktiengesellschaften? Kann ein einzelner Eigentümer mehr als umfangreiche Gremien, wie Hauptversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand? Viele Regeln, die in Familienunternehmen gelten, legen diesen Schluss nahe.
Universitätsprofessor Rudolf Wimmer, auf Führungsfragen spezialisierter Unternehmensberater, hat am Höhepunkt der Krise und unmittelbar danach 250 Unternehmen untersucht, die von den Eigentümern selbst und/oder von deren Familien geführt werden. Die Unternehmen sind in Deutschland und in Österreich angesiedelt, die Größe ist ebenso unterschiedlich wie die Branche. Seine Studie "Die besondere Vitalität von Familienunternehmen" hat besondere Stärken ebenso zutage gebracht wie Gefahren.
"Familienunternehmen reizen fast nie alle Wachstumschancen bis zum Äußersten aus, die sich am Markt bieten. Das macht sie im Abschwung widerstandsfähiger." Das ist eines der auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnisse der Studie. Auf den zweiten Blick wird die Sache klarer: Familienunternehmen nutzen die vorhandenen Kapazitäten, solange es geht. Sie investieren erst, wenn es die Auftragslage erfordert. "Hier gäbe es Chancen am Markt, investieren wir auf Kredit und gehen aggressiv in den Markt", das kommt selten vor. Damit bleiben etliche Geschäfte der Konkurrenz überlassen, aber wenn der Einbruch kommt, ist der Kapazitätsabbau weniger schmerzhaft. Viele Betriebe konnten mit Kurzarbeit, Abbau von Urlauben und Abbau von Leiharbeitskräften durchtauchen und Kündigungen bei der Kernbelegschaft vermeiden.
Wenn es eng wird, zählt der langfristige Erhalt der Firma
Auch eine ausreichende Kapitaldecke schafft Zeit und finanziellen Spielraum für wohldurchdachtes Krisenmanagement. Sie liegt im Schnitt bei 40 Prozent, bei gut einem Drittel der Betriebe deutlich darüber. Kein Kreditreferent der Bank fragt nach Quartalszahlen mit der Angst im Nacken, es könnte ein Kreditausfall drohen. Drei Viertel der Chefs und Eigentümerfamilien haben in der Krise Kapital zugeschossen, ein Drittel hat 2009 einen generellen Ausschüttungsstopp verfügt. Denn, so Wimmer, "wenn es eng wird, zeigen die Unternehmerfamilien, dass es ihnen in erster Linie um den langfristigen Erhalt der Firma geht."
Es gibt ihn, den Chef mit Gespür, der auch ohne teure Berater und Marktanalysen die richtigen Entscheidungen trifft. "Das macht der ständige enge Kontakt mit den Kunden aus", meint Wimmer, "der steuert die Innovationen richtig und hilft auch bei der Selbsteinschätzung im Krisenfall." Die ist besonders wichtig, wenn die Beschäftigten bei der Krisenbewältigung mitziehen und möglicherweise Opfer bringen sollen, von der Urlaubsplanung bis zum Gehaltsverzicht.
Wimmer spricht von einem "großen Vertrauen in die Unternehmensführung wie auch in die Eigentümerfamilie". Dieses Vertrauen bildet sich anfangs durch persönliche Kontakte mit dem Chef oder mit der Chefin, und es pflanzt sich in der Belegschaft fort. Auch die Unternehmensziele werden oft informell so kommuniziert, ohne umfangreiche schriftliche Dienstanweisungen. "Die Leute spüren, was die Firma braucht, und richten ihre Kreativität danach aus", meint Wimmer. Dieses Gespür reicht bis in erstaunliche Betriebsgrößen hinein, "das geht bis zu 10.000 Beschäftigten".
Streit in der Familie ist ein hohes Risiko für Betriebe
Die Kehrseite der Medaille: Wenn durch zu Zukauf von Unternehmen oder durch zu schnelle Expansion die angestammte Unternehmens- und Führungskultur nicht weitergegeben wird, gerät die Firma bald in Schieflage. Spürbarer Streit in der Familie ist brandgefährlich für das Unternehmen. Wenn der Chef den Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern verliert und sich in sein Produkt verliebt, das am Markt keinen Platz findet, riskiert er seine Firma und die Existenz seiner Leute. Viele größere Familienunternehmen schaffen sich daher einen Beirat oder in einer GmbH einen Aufsichtsrat, um Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Auch die Börse wird eine nachhaltige Unternehmenskultur nicht automatisch kippen. Beim börsennotierten Kranhersteller Palfinger AG hält die Familie 65 Prozent. Vorstandsvorsitzender Herbert Ortner verteidigt das Halten großer Teile der Belegschaft trotz roter Zahlen nicht nur mit moralischen Argumenten: "Jetzt bauen wir nicht schnell einmal 2000 Leute ab, um das Ergebnis zu optimieren, nachdem wir mit ihnen vorher gut verdient haben", sondern auch betriebswirtschaftlich. "Wenn wieder Leute gebraucht werden, würde ein Facharbeiter ein halbes Jahr Einschulung brauchen und nicht die erwartete Leistung bringen."
Viele Erkenntnisse aus der Krise werden Firmen noch brauchen, vor allem den Umgang mit dem Unvorhergesehenen. Der Weg zurück zur wirtschaftlichen Normalität ist noch lang und, wie die jüngsten Konjunkturprognosen zeigen, voller Schlaglöcher.