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In Österreich werden politische Entscheidungen auf der Fußballtribüne oder beim Wirten bei einem Glas Spritzwein oder einem Krügerl Bier getroffen. Man kennt einander, man (be)fördert einander. Frauen sind hier meist nicht dabei. Frauennetzwerke wollen ein Gegengewicht bilden, indem sie Treffen, Seminare oder Mentoring nur für Frauen anbieten.
Beim Mentoring hilft eine erfahrene Frau der meist jüngeren Kollegin dabei, ihre Karriere anzukurbeln, oder gibt ihr Tipps, was sie gegen Mobbing am Arbeitsplatz tun kann.
Das ist alles richtig, wichtig und notwendig - aber ist es feministisch? Das Frauennetzwerk Sorority bejaht diese Frage. Doch Seminare mit dem Titel "Performance & Präsenz" und "Social Media Marketing" legen den Verdachte nahe, dass es hier vor allem um Selbstvermarktung als um soziale Gerechtigkeit geht.
Der sozialistische Feminismus ging noch davon aus, dass die Unterdrückung der Frau durch zwei zusammenwirkende Strukturen verursacht wurde: dem Kapitalismus und dem Patriarchat. Natürlich kann ich Feministin sein und trotzdem Karriere machen. Aber Frauennetzwerke, die lediglich als Karrieresprungbrett dienen, haben sich dem kapitalistischen System perfekt angepasst und mit dem feministischen Anspruch auf soziale Gerechtigkeit nicht mehr viel gemeinsam. Oder wird bei den Netzwerkabenden etwa auch diskutiert, was man gegen häusliche Gewalt tun kann? Was sich ändern muss, damit mehr Männer in Karenz gehen? Ob und wie die Frau mit polnischen Wurzeln, die zuhause putzt, während man netzwerkt, sozialversichert ist?
Natürlich, man kann sich nicht um alles gleichzeitig kümmern. Frauen sind in den Führungspositionen nach wie vor rar gesät, und es ist gut, dass sie sich zusammenschließen, um das zu ändern. In Wien gibt es seit dem 13. Jahrhundert Bruderschaften, die sozial schlechtergestellte Mitglieder finanziell unterstützen. Frauen waren jahrhundertelang vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und haben beim Netzwerken Aufholbedarf. Die Schwesternschaften von heute sollten sich aber nicht nur an den kapitalistischen Strukturen der jüngeren Vergangenheit, sondern durchaus auch am humanistischen Grundgedanken der Ordensbrüder orientieren.