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Plassnik ruft zu Realismus in Europadebatte auf. | "Österreicher sind keine EU-Muffel." | "Wiener Zeitung": Frau Europaministerin, die EU wird in Österreich zum Wahlkampfthema. Ist das eine Chance oder Gefahr für Europa? | Ursula Plassnik: Ich habe mir das nicht ausgesucht. Mir wäre es lieber, das Thema EU nicht dort zu haben. Wahlkampfzeiten sind Zeiten der Polarisierung, mit dem Risiko, dass wichtige Sachanliegen unter die Räder der Wahlkampfmechanismen kommen. Aber ich werde dem Thema nicht ausweichen und mich dafür einsetzen, dass es all diejenigen als Chance begreifen, denen ein starkes Österreich in einem starken Europa ein Anliegen ist. Ich werde mir daher einiges einfallen lassen.
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Was denn?
Zunächst ein Aufruf zum Realismus und zur Nüchternheit. Denn es ist nicht richtig, dass die Österreicher EU-Muffel sind. Das Meinungsbild zur Europäischen Union ist zwar nicht erfreulich, aber es ist seit mehr als zehn Jahren bemerkenswert stabil. Es ist nicht zutreffend, dass es dramatische Änderungen gibt. Vielmehr wird das Thema EU missbraucht.
Ist es nicht die Politik, die das Thema missbraucht?
Es sind einzelne Politiker, die eigene Interessen verfolgen, denen weder die EU noch die Sorgen der Menschen in unserem Land ein Anliegen ist.
Es müssen aber auch jene etwas falsch gemacht haben, die die Österreicher für die EU begeistern wollen. Denn die EU-Skepsis ist ebenfalls seit zehn Jahren stabil.
Politik ist keine Begeisterungsanstalt. Wir sind dazu da, österreichische Interessen zu formulieren und zu vertreten. Wir sollten die Menschen nicht für dumm verkaufen. Sie wollen und können sich selbst ein Bild machen, und dabei wollen wir sie unterstützen, durch Information und Erklärung.
Dazu hatte auch die ÖVP genug Gelegenheit. Warum hat sie es nicht geschafft, ein positiveres Bild von der EU zu vermitteln?
Sie nehmen für bare Münze, dass die Österreicher generell EU-Skeptiker sind. Dem ist nicht so. Sie sind mit den Erfolgen der EU durchaus zufrieden, so unterstützen etwa zwei Drittel den Euro und eine gemeinsame EU-Außenpolitik. Auffallend ist, dass in Österreich die Verbindung zwischen dem Eingebettet-Sein in die EU und der persönlichen Zufriedenheit sehr viel weniger als in anderen Ländern hergestellt wird. Wir müssen daher den Weg der Kommunikation und Information weitergehen und kreativer sein. Schweigend die Vorteile Europas genießen, gilt nicht länger. Und Europafreude ist nicht durch ein Ministerium produzierbar - das braucht unser aller Einsatz.
Was aber wollen Sie tun?
Ich habe der Regierung eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Jeder muss in seinem Bereich tätig werden. So soll jedes Ministerium die Erfolge der EU-Mitgliedschaft aktiv und regelmäßig darstellen, etwa auf ihren Internetseiten. Die Koalitionsparteien sollten ihre Mitglieder über die konkreten Errungenschaften der EU informieren. Auch könnte besser ausgeschildert werden, was die finanziellen Beiträge der EU für uns Österreicher sind. Die Menschen sollten wissen, wo Europa drinnen ist. Jede Gemeinde sollte ihr eigenes Europaprofil erstellen, um zu zeigen, dass die EU vom Tourismus bis zum Weinbau Teil unseres Alltags ist. Und dazu wollen wir mit der neuen Plattform www.europafreunde.at Positivkräfte mobilisieren.
Dennoch sehen viele Menschen die Vorteile der Europäischen Union nicht.
Es gibt keinen Zaubertrank. Wir müssen bei den Fakten bleiben und dürfen nicht glauben, dass durch Propagandakampagnen dieses Ziel erreichbar ist. Umso schlimmer ist, dass der Koalitionspartner sehr viele Unklarheiten aufgeworfen hat. Das trägt zur Verunsicherung bei.
Kampagnen betreibt aber die "Kronen Zeitung". Sie haben sich in einem offenen Brief gegen Falschinformationen gewandt. Hätte das nicht schon früher geschehen können?
Das tue ich ständig in meiner Arbeit. Ich kann nur zu realistischen Erwartungen aufrufen: Europa kann nicht leisten, wofür es nicht zuständig ist. Es darf nicht zum Sündenbock gemacht werden, etwa für die Teuerungswelle. Lassen wir uns die Fakten nicht vernebeln.
Hans Dichand fährt eine Kampagne auch gegen Sie persönlich. Keine Furcht?
Die Antwort ist schlicht nein.
Es gibt derzeit jede Menge Ideen zu Volksabstimmungen über EU-Verträge. Ist eine Absage daran eine Koalitionsbedingung für potenzielle Koalitionspartner?
Ich halte von diesen Ideen nichts. Volksabstimmungen sind keine Antwort auf die Europaskepsis. Vertrauen lässt sich nicht mit der Brechstange erzwingen.
Also keine Ultimaten. Werden Sie Mitglied auch der nächsten Regierung sein?
Das werde ich entscheiden, wenn der Zeitpunkt dafür da ist.
Ursula Plassnik ist seit 2004
Außenministerin Österreichs.