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"Sind keine blinden Dogmatiker"

Von Clemens Neuhold

Politik
Erbschaftssteuer als Schlüssel zur Steuerreform? Für Grüne ja, für Neos naja.
© fotolia: grafikplusfoto/Unclesam

Im Zuge einer umfassenden Reform können sich die Neos eine Erbschaftssteuer vorstellen. Die Grünen halten diese für unverzichtbar.


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Wien. "Wir sind gegen Denkverbote und keine Dogmatiker, auch nicht in der Steuerdebatte."

Die von Kritikern als neoliberal gebrandmarkten Neos geben sich beim Streitthema Nummer 1, den Vermögenssteuern, "undogmatischer" als die ÖVP. Die Volkspartei lehnt neue Steuern kategorisch ab. Die Neos wollen ebenfalls keine neuen Steuern. Doch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" übt sich Neos-Chef Matthias Strolz in Pragmatismus: "Wir wollen keine neuen Steuern. Aber wenn wir echte Reformen im Bildungs- und Pensionssystem wollen, müssen wir auch bei anderen Themen gesprächsbereit sein - und das beinhaltet auch höhere Grundsteuern oder eine Erbschaftssteuer." Die von der SPÖ forcierte klassische Vermögenssteuer auf Immobilien, Aktien, Schmuck oder Autos lehnt Strolz hingegen ab. "Das ist ein Auslaufmodell in der EU, das es gerade noch in Frankreich gibt. Ich halte es außerdem für unpraktikabel."

Aus grüner Liniewurde rote Linie

Im Unterschied zu den Neos halten die Grünen neue Vermögenssteuern für unverzichtbar, damit im Gegenzug die Lohnsteuern gesenkt werden können.

Was die rote Vermögenssteuer betrifft, teilen sie die Skepsis der Neos - zumindest ihr Budgetsprecher Bruno Rossmann. Der setzte sich zunächst innerparteilich mit der Position durch, dass die Ökopartei nur die Erbschaftssteuer forciert. Doch dieser Kurs war dem linken Flügel in der Partei zu moderat, deswegen fordern die Grünen nun offiziell auch eine Vermögensteuer. "Eine Erbschaftssteuer macht mehr Sinn als eine Vermögenssteuer. Eine Vermögenssteuer kann man schon machen. Aber ich bin skeptisch, weil diese Steuer die Substanz aufzehrt." Bei der Erbschaftssteuer könne man das bewusst in Kauf nehmen, weil das Vermögen übertragen werde und es sich um ein "arbeitsloses" Einkommen handle - arbeitslos, weil keine Leistung für das Erben erbracht wurde.

So wie die Grünen stellen die Neos auf das Individuum ab, das erbt. Für die ÖVP ist Erben vielmehr ein Vorgang innerhalb der Familie über Generationen, zwischen denen Vermögen weitergegeben wird. Aus dieser Perspektive relativiert sich das Argument der nicht erbrachten Leistung.

Was den Ertrag durch eine Erbschaftssteuer betrifft, liegen die Pinken und die Grünen weit auseinander. "Eine Erbschaftssteuer nach deutschem Vorbild würde rund 430 Millionen bringen", schätzt Strolz. Damit könne man nie eine Steuerreform heben. Wer das behaupte, agiere populistisch.

Deswegen müsse "die Finanzierung der Abgabensenkung primär über strukturelle Reformen in den Bereichen Pensionen, Föderalismus, Gesundheit erfolgen", sagt Strolz.

Wie frei soll manbeim Erben sein?

Die Grünen setzen das Potenzial einer Erbschaftssteuer mehr als doppelt so hoch an: bei einer Milliarde Euro pro Jahr. Sie beziehen sich dabei auf eine Studie der Wirtschaftsuniversität, die sie in Auftrag gegeben haben. Weil die Zahl der Erbschaften bis 2030 von 40.000 auf 60.000 im Jahr steigen werde, wachsen die Einnahmen laut Studie nach dieser Rechnung auf bis dahin 1,6 Milliarden Euro pro Jahr.

Eine Erbschaftssteuer will - zusätzlich zur Vermögenssteuer - auch die SPÖ, allerdings ab einem Freibetrag von einer Million Euro. Die Grünen würden Erbschaften bereits ab 500.000 besteuern.

Die dritte Oppositionspartei FPÖ lehnt alle Vermögenssteuern zur Finanzierung einer Steuersenkung auf Arbeit ab. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sieht andere Möglichkeiten der Gegenfinanzierung: Österreich leiste sich einen "15 Milliarden teuren Subventionsdschungel, unzählige
Sozialversicherungsträger und
eine hohe Steuerbelastung, die Schwarzarbeit fördert samt eine Massenzuwanderung billiger Arbeitskräfte, was unser Sozialsystem belastet". Wäre die Bundesregierung da nicht "so untätig", würde sich eine Steuerreform um ein Vielfaches gegenfinanzieren, meinte er in einer Aussendung.

Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger - ein FPÖ-Wunsch seit Jörg Haider - hat zuletzt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl aufgegriffen. Er will nur noch drei Anstalten. Die Neos wollen überhaupt nur noch eine. Ohne solche gravierenden Systemeingriffe bezweifelt Strolz, dass es Spielraum für Steuersenkungen geben kann. "Was die Regierung plant, ist wieder nur Klein-Klein." Doch selbst eine Revolution bei den Sozialversicherungen könnte wenig bringen, sagen die Versicherer. Denn der Aufwand für die Verwaltung sei im EU-Vergleich schon jetzt am zweitniedrigsten. Eine schlechte Nachricht für Erben?