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Polizeipräsident Gerhard Pürstl im Interview über den Personalstand und den Umgang mit Bettlern und Demonstranten.
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Wien. Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl ist in den vergangenen Wochen oft ins Kreuzfeuer der Kritik geraten - zum einen, weil die Zusammenlegung der Polizeiwachzimmer anfangs nicht so gut funktioniert hat, wie man ursprünglich erwartet hatte. Vor allem aber wegen der Einsätze bei zwei Demonstrationen, wo die Polizei laut Kritikern unverhältnismäßig brutal vorgegangen ist.
"Wiener Zeitung":Herr Polizeipräsident, wie ist der Stand der Dinge bei den Wachzimmerschließungen und -zusammenlegungen? Werden die betroffenen Beamten mittlerweile besser informiert?Gerhard Pürstl: Erstens hat sich die Lage beruhigt, zweitens ist es nicht so, wie es oft medial transportiert wurde. Dass es bei einem Projekt dieses Ausmaßes das eine oder andere Mal Informationsmängel geben kann, ist völlig normal. Aber es werden von Anfang an die Personalvertretungen eingebunden, und es wird immer nach einvernehmlichen Lösungen gesucht. Es läuft alles nach Plan.
Sind Sie zufrieden mit dem Personalstand der Polizei?
Wenn der Pakt zwischen der Innenministerin und dem Wiener Bürgermeister eingehalten wird, dann werden wir 2015/2016 rund 1000 Beamte mehr haben als im Jahr 2009. Wenn es dann auch weiter kontinuierliche Aufnahmen geben wird, dann bin ich hochzufrieden.
Es gibt politische Stimmen, die doppelt so viele Polizisten fordern.
Es wird immer politische Forderungen in die eine oder andere Richtung geben. Aber wir sind hier die Fachleute, die beurteilen können, welche Arbeit anfällt und wie viel Personal man dafür braucht. Es geht schließlich um vernünftige Lösungen, die man auch gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen kann.
Wo fehlt derzeit Personal?
Für die Streifendienste könnten wir mehr Personal vertragen. Es gibt auch Personalbedarf im Landeskriminalamt - etwa bei der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Und es gibt Bezirke, bei denen man weiß, dass sich dort viel abspielt.
Welche Bezirke sind das?
Vor allem Favoriten. Der Stadtteil hat eine Belastung an Kriminalitätsentwicklung wie in Graz, ist aber eben nur ein Bezirk, der aufgrund der Bevölkerungsstruktur schwierig zu handhaben ist.
Wie viele neue Beamte sind für Favoriten geplant?
Ich möchte keine Zahlen nennen, aber es wird ein ordentlicher Klotz sein, der dazu kommt.
Was sagen Sie dazu, dass seitens vieler NGOs die Existenz von organisierten Bettelbanden abgestritten beziehungsweise behauptet wird, die Polizei kriminalisiere Bettelei?
Grundsätzlich muss ich sagen, dass eine Großstadt ein gewisses Maß an Bettlern vertragen muss - solange sich auf der einen Seite niemand belästigt fühlt oder auf der anderen Seite keine Menschen ausgebeutet werden. Es steht außer Frage, dass es einzelne Menschen gibt, die aus Armut betteln gehen. Aber genauso steht außer Frage, dass ein Großteil der Bettelei in Form von einzelnen Familienclans - vorwiegend aus den östlichen Teilen Europas kommend - organisiert ist. Und wenn in diesem Zusammenhang Menschen ausgebeutet werden, dann muss die Polizei dagegen auftreten. Wer das negiert, der will die Situation nicht wahrhaben. Aber ich denke, wir haben hier einen sehr guten Zugang zu dem Thema.
Sie wurden im Zusammenhang mit sogenannten Ostbanden mehrmals dafür kritisiert, dass Sie "Ethnic Profiling" betreiben würden.
Wenn wir erkennen, dass es kriminelle Machenschaften gibt, die einer Gruppierung aus bestimmten Staaten zuzuordnen sind, ist es unsere Aufgabe, dort die Ermittlungen zu vertiefen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir nur im Sinn haben, kriminelle Machenschaften zu verhindern und die Täter dingfest zu machen, damit am Ende der Einbrecher im Gefängnis sitzt und nicht im Wohnzimmer der Bürger.
Trotzdem gibt es immer wieder Rassismus-Vorwürfe gegen die Polizei.
Wir haben sehr traurige Vorfälle im vergangenen Jahrzehnt gehabt, die absolut nicht zu tolerieren sind. Keine Frage. Aber was den Vorwurf des "Ethnic Profilings" betrifft, muss man die Dinge schon differenzierter betrachten. Wenn ich nach einem asiatischen Bankräuber fahnde, dann ist es doch klar, dass im Zuge dieser Fahndung in unmittelbarer Umgebung nach Menschen mit asiatischem Aussehen gesucht wird. Hier handelt es sich nicht um Rassismus, sondern um logisches Denken. "Ethnic Profiling" wäre es, wenn ich ohne Anhaltspunkt in der ganzen Stadt alle Menschen mit asiatischem Aussehen überprüfen würde. Das machen wir nicht.
Es wird auch immer wieder generell das autoritäre Gehabe mancher Beamter beklagt. Warum müssen Polizisten so sein?
Als ich 1988 angefangen habe, habe ich eine Polizei kennengelernt, wo wirklich das Autoritäre im Vordergrund gestanden ist. Da hat es eine Kameraderie gegeben und alle haben zusammengehalten. In der Zwischenzeit haben da allerdings Quantensprünge in der Entwicklung stattgefunden.
Inwiefern?
Es hat ein kompletter Wertewandel stattgefunden. Wir sehen uns als Dienstleister, der Sicherheit und Unterstützung anbietet. Dadurch, dass wir seit 2009 pro Jahr rund 450 Neuaufnahmen haben, wird ein kompletter Generationswechsel vollzogen. Und in der Ausbildung haben mittlerweile Menschenrechte den höchsten Stellenwert. Deswegen glaube ich auch, dass wir in Wien die Menschenrechtsorganisation Nummer eins sind. Wir haben tagtäglich mit Grund- und Menschenrechten zu tun, müssen Sicherheit gewährleisten und Hilfsbedürftigen helfen. Und diejenigen, die sich danebenbenehmen, werden dingfest gemacht, ohne dabei ihre Würde zu verlieren.
Ist das nicht ein bisschen ein verklärtes Bild von der Polizei?
Nur freundlich zu sein, geht natürlich nicht in allen Situationen. Da muss man als Polizei auch schon einmal Härte zeigen können. Wenn hier Beamte aus der Reihe tanzen, dann gibt es ein Beschwerdemanagement, wo allen Verfehlungen auf den Grund gegangen wird. Denn eines ist auch klar: An jeder Beschwerde, die wir bekommen, ist meist ein Körnchen Wahres dran.
Im Zusammenhang mit den Einsätzen bei der Akademikerball- und der Identitären-Demo gab es viele Beschwerden.
Bei Versammlungen ist die Polizei immer in einer sehr schwierigen Lage. Denn wir haben nicht die Frage zu klären, ob sich Rechts oder Links versammeln dürfen, das ist tief in unserer Verfassung verankert. Der Polizei zum Vorwurf zu machen, dass eine Gruppierung durch die Stadt marschiert und nichts Verbotenes tut, zeugt von einem eigenartigen Demokratieverständnis.
Aber ging es hier nicht mehr um die Verhältnismäßigkeit der Einsätze bezüglich Gewaltanwendung?
Die Polizei ist auch für den Versammlungsschutz zuständig. Und das wissen leider die wenigsten: Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Demonstration gestört wird oder sie am Weitergehen behindert wird. Denn beide Punkte sind strafrechtlich verboten. Das heißt, die Polizei muss hier eine Lösung finden, mit der beide Gruppen leben können. Wenn dann aber eine Seite partout auf etwas beharrt, das in die Freiheit der anderen eingreift, dann muss man die Grenzen aufzeigen. Aber immer wenn wir das tun, dann heißt es sofort: Die schützen die anderen. Und in den Social-Media-Plattformen und letztendlich auch in den Medien berichtet man von Prügelorgien der Polizei. Wenn wir dann beweisen können, dass davon nichts stimmt, ist unser Ruf bereits ruiniert.
Ist es dann sinnvoll, in diesem Zusammenhang in einer Live-Sendung zu sagen: "Wenn man sich mit Hunden ins Bett legt, darf man sich nicht wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht"?
Das war zugegebenermaßen eine unglückliche Formulierung, die aber aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Ich wollte damit nur sagen, dass man damit rechnen muss, in eine Polizeiaktion verwickelt zu werden, wenn man sich unter gewaltbereite Demonstranten mischt, die eine Schaufensterscheibe nach der anderen zerschlagen.