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"Sind Museum, keine Spekulanten"

Von Stefan Janny

Reflexionen
"Statistiken zeigen, dass Kunst über einen längeren Zeitraum eine höhere Rendite bringt als Aktien", erklärt Essl - morgen, Donnerstag, wird er 70 Jahre alt. Foto: Newald

Schwierigeres Wirtschaftsumfeld für Baumax. | Preise für Kunst weniger gefallen als Aktienkurse. | Junge Künstler leiden stärker unter Kaufzurückhaltung. | "Wiener Zeitung": Nicht nur die Börsenkurse sind stark gesunken, auch am Kunstmarkt sind Preisrückgänge zu verzeichnen. Überwiegt bei einem Sammler diesbezüglich die Freude, weil manche Werke jetzt günstiger zu haben sind, oder der Schmerz, weil ja auch die eigene Sammlung jetzt weniger wert ist?


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Karlheinz Essl: Gute Kunst behält auch jetzt ihren Wert. Natürlich ist es so, dass in Auktionskatalogen der untere Schätzwert jetzt vielleicht etwas tiefer angesetzt wird. Aber ich bin überrascht, dass Bilder mancher Künstler auch derzeit noch Höchstpreise erzielen. Im November bei den ersten Auktionen nach der Pleite von Lehman Brothers, da hat es schlecht ausgesehen und es sind etwa 40 Prozent der Bilder nicht verkauft worden. Das hat sich mittlerweile wieder gebessert. Aber natürlich sind die Preise seit Beginn der Finanzkrise etwas gefallen, allerdings bei weitem nicht so stark wie jene der Aktien. Darüber hinaus überrascht mich, dass es immer noch eine große Anzahl von Käufern gibt, die jetzt in Kunst investieren.

Welche Käufer sind das? Die meisten Menschen, auch sehr vermögende, sind doch jetzt bei teuren Investitionen zurückhaltender.

Es sind wahrscheinlich diejenigen, die an der Börse nicht so wild spekuliert haben. Ich glaube, dass die Leute jetzt eher in Sachwerte investieren. Immobilien sind zwar auch im Wert gefallen, aber auf die Kunst vertraut man. Es gibt auch Statistiken, die zeigen, dass Kunst über einen längeren Zeitraum eine höhere Rendite bringt als Aktien. Wenn Sie Aktien kaufen, ist das ein fiktiver Anteil an einem Unternehmen, bei Fonds weiß man oft gar nicht, was drinnen ist. Das Schöne an einem Kunstwerk ist, dass sie es jeden Tag genießen können.

Im Gegensatz zu einem Bild, das an der Wand hängt, zahlen ordentliche Unternehmen hingegen Dividenden.

Ja, aber der Gewinn und die Bereicherung, die ich aus einem Bild ziehen kann, ist mehr wert als Geld. Man kann das Leben nicht nur in Euros messen. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern auch von der Inspiration.

Sind Sie angesichts der Kursstürze an den Börsen froh, dass Baumax nicht mehr an der Börse notiert?

Es ist für uns wesentlich leichter geworden, weil wir damit nicht mehr von den Mechanismen der Börsen und Kapitalmärkte getrieben sind. Die Börse verlangt ständig steigenden Gewinn, immer bessere Zahlen, und auch, wenn wir uns gute Unternehmensergebnisse auch selber schuldig sind, können wir als privates Unternehmen viel nachhaltiger und langfristiger agieren.

Wie reagieren Sie als Sammler auf die Wirtschaftskrise? Kaufen Sie jetzt mehr, weil die Preise günstiger sind, oder agieren Sie vorsichtiger, weil auch Baumax heuer wohl weniger verdienen wird als im Vorjahr?

Man ist auf jeden Fall vorsichtiger, keine Frage. Wir sind etwas zurückhaltender beim Kaufen, da unser Budget sich ja immer aus einem Anteil des Ertrages des Unternehmens bemisst. Das vorige Jahr ist relativ gut gelaufen, heuer wird man sehen. Die ersten Monate waren nicht sehr viel versprechend. Der Wettbewerb im Handel ist in Österreich besonders scharf. Und in Osteuropa muss man sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln.

Glauben Sie weiterhin an das Wachstumspotenzial Zentral- und Osteuropas?

Na sicher! Wo wird denn Europa wirtschaftlich noch wachsen? In Westeuropa haben wir schon in den letzten Jahren gesehen, dass das Wachstum an seine Grenzen stößt. Da ist kein großes Potenzial mehr vorhanden. Es geht daher Richtung Zentral- und Osteuropa, da gibt es einen irren Aufholbedarf, der noch viele Jahrzehnte anhalten wird. Eine andere Wachstumsregion ist Asien. Aber ich halte es allemal für klüger, in einer Region zu investieren, die uns kulturell verwandt und vertraut ist und zudem vor unserer Haustüre liegt. So gesehen, sind Osteuropa, Zentraleuropa, Russland und auch die Türkei für uns die Wachstumsregionen.

Sehen Sie einen Zeithorizont für das Ende der Wirtschaftskrise?

Das kann man im Augenblick überhaupt nicht beurteilen. Man wird das erste Halbjahr vorbeigehen lassen müssen, um sich ein vorsichtiges Urteil bilden zu können. Bei Baumax hängt die Geschäftsentwicklung immer auch mit dem Wetter zusammen, das im ersten Quartal nicht sehr gut war. Im Moment sind die Konsumenten verunsichert. Wenn man in den Nachrichten nur Hiobsbotschaften hört, haben die Menschen keine Freude, etwas zu kaufen.

Und gerade Umbauten, kostspielige Renovierungsarbeiten oder den Beginn eines Hausbaus kann man in schwierigen Zeiten recht leicht um ein oder zwei Jahre verschieben?

Ich bin grundsätzlich nicht pessimistisch. Wir haben ja schon einige Krisen erlebt. Ende der achtziger Jahre waren wir eigentlich eher begünstigt. Die Leute haben keine Autos gekauft, aber sie haben zu Hause wieder gebastelt, weil sie nicht so viel auf Urlaub gefahren sind. Man hat sich zurückgezogen in die eigenen vier Wände, in den Garten, und hat dort gewerkt. Es ist natürlich nicht leicht, aber ich denke, dass unsere Branche tendenziell noch etwas besser dran ist als andere.

Zurück zur Kunst: Auktionspreise sind öffentlich. Ein großer Teil des Kunsthandels läuft aber über Galerien oder die Ateliers der Künstler. Sind auch da die Preise jetzt günstiger geworden?

Ich habe den Eindruck, dass die Galeriepreise offiziell nicht gesenkt worden sind. Ich glaube aber, dass Künstler und Galerien heute eher bereit sind, über Nachlässe zu verhandeln. Es gibt möglicherweise Rabatte, aber das Preisschild bleibt gleich.

Sie sind bei Galeristen und Künstlern bekannt dafür, dass Sie über die Preise von Kunstwerken hart verhandeln. Der Verhandlungsspielraum ist nun also größer geworden?

Das sind alles Gerüchte. Natürlich versucht man, einen vernünftigen Preis zu bekommen. Wir sind aber auch ein Museum und keine Spekulanten. Jedes Museum, das Kunstwerke kauft, genießt bei Künstlern eine gewisse Bevorzugungen: erstens, was die Qualität der Werke betrifft, und zweitens natürlich auch beim Preis. Wirklich gute Kunst ist aber nicht wie in einem Supermarkt zu haben. Ein Künstler hat verschiedene Perioden mit unterschiedlicher Qualität in seinem Schaffen. Eine Sammlung wie die unsere ist natürlich an den besonders guten Stücken interessiert. Bei denen kann man nicht über den Preis verhandeln.

Gibt es derzeit einen Unterschied in der Preisentwicklung zwischen österreichischen Künstlern und internationalen Namen?

Die Unterschiede waren immer da und haben sich jetzt durch die Krise auch nicht verändert. Kunst ist heute globalisiert. Große österreichische Namen haben internationale Preise. Junge Kunst wird es jetzt wahrscheinlich etwas schwerer haben. Eine andere Frage ist, wie die Museen mit der aktuellen Situation zurande kommen, ob sie auch weiterhin jene finanziellen Zuwendungen bekommen, die sie brauchen.

Viele Unternehmer kürzen oder streichen angesichts der Wirtschaftskrise die Budgets für nicht unbedingt notwendige Aktivitäten. Sie werden zwar mit einem etwas geringeren Einkaufsbudget agieren, trotzdem stellen Sammlung und Museum einen beträchtlichen finanziellen Aufwand dar. Warum tut man das?

Gute Frage. Weil man Spaß und Freude an der Kunst hat. Und wenn man etwas gerne macht und gerne hat, will man das auch weitergeben. Welchen Sinn hat es, wenn ich 6000 Kunstwerke gesammelt habe und die in einem Keller oder Depot einsperre?

Was empfindet ein Sammler, wenn er beobachtet, wie die über Jahrzehnte aufgebaute Sammlung von Piere Berges und Yves Saint Laurent verkauft und damit zerrissen und in alle Weltteile zerstreut wird?

Da blutet mir das Herz. Aber es werden ja immer wieder Sammlungen aufgelöst und versteigert. Oft, weil die Nachkommen an der Kunst nicht so interessiert sind.

Oder weil die Nachkommen lieber ein schönes Leben führen wollen, anstatt ein Bild, das 70 Millionen wert ist, an der Wand hängen zu haben.

Das bleibt jedem selbst überlassen. Mir tut es immer wieder weh, wenn Sammlungen zerrissen werden. Deshalb haben wir dem auch einen Riegel vorgeschoben, damit das bei uns nicht passieren kann. Wir haben eine Stiftung ins Leben gerufen, mit dem Auftrag, die Kunstwerke zu pflegen, zu bearbeiten und auszustellen. Das ist etwas, das nicht in die Erbfolge hineinkommt und das auch der Allgemeinheit erhalten bleiben soll.

Sie haben betont, dass Kunst gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein lukratives Investment sein kann. Nennen Sie bitte zwei junge, österreichische Künstler, die Sie schätzen und denen Sie eine positive Wertentwicklung prophezeien.

Ich könnte Dutzende nennen, aber wenn ich zwei Beispiele herausgreifen soll: Martin Schnur und Esther Stocker.

Zur Person

Karlheinz Essl wurde am 16. 4. 1939 in Hermagor als Sohn eines Lebensmittelhändlers geboren und war schon in der seiner Jugend im elterlichen betrieb tätig. Während eines USA-Aufenthalts lernte er 1958 Agnes Schömer, seine spätere Frau, kennen. 1959 trat Essl in das Baustoffhandelsunternehmen seines nunmehrigen Schwiegervaters Franz Schömer ein. 1975 übernimmt Essl das Unternehmen von seinem Schwiegervater, 1976 wird in Kindberg der erste Baumax-Markt errichtet. 1999 zieht sich Karlheinz in den Aufsichtsrat zurück und übergibt den Vorstandsvorsitz an seinen Sohn Martin.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Baumax in 137 Baumärkten einen Umsatz von 1,42 Milliarden Euro. Gemeinsam mit seiner Frau sammelt Essl seit über 30 Jahren moderne Kunst. Für die Sammlung, die heute mehr als 6000 Werke umfasst, ließ Essl 1998 in Klosterneuburg nahe der Unternehmenszentrale ein öffentlich zugängliches Museum mit 7600 Quadratmeter Ausstellungs- und Depotfläche errichten.