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Sind neue Väter im Kommen?

Von Angela Thierry

Reflexionen
© BilderBox

Väter erobern die Welt - zumindest in Forschung und Politik sind Väter derzeit ein beliebtes Thema. Dabei ist immer wieder vom "neuen Vater" die Rede, der sowohl zeitlich als auch emotional für seine Kinder da ist und sich damit deutlich vom traditionellen Vaterbild des Familienernährers abhebt.


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Das Schlagwort der "vaterlosen Gesellschaft" - geprägt von Paul Federn 1919 und in etwas anderem Zusammenhang von Alexander Mitscherlich 1963 übernommen - passt nicht mehr ganz zur Beschreibung der gegenwärtigen österreichischen Situation. Die Position des Vaters innerhalb der Familie hat sich im Laufe der letzten beiden Generationen grundlegend gewandelt, aus einer vorwiegend strafenden und Macht ausübenden Instanz, die sich primär über die Funktionen des Zeugens, Beschützens und Ernährens definiert hat, ist eine auch emotional zugängliche Ansprechperson mit Erziehungsaufgaben und Funktionen als Identifikationsobjekt geworden. Unsere Kinder und Jugendlichen sind auch die erste Generation, die ohne ein "per Gesetz" definiertes männliches Familienoberhaupt, also einem "pater familias" im klassischen Sinn, aufwachsen.

Ein weiteres Gesetz, das den gesellschaftlichen Veränderungen in der Familie Rechnung getragen hat, ist das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, welches seit 1. Jänner 1990 auch den Vätern die Möglichkeit gibt, in Karenz zu gehen.

Ein wesentliches, vielleicht das wichtigste Verdienst der Väterforschung in den 70er Jahren war aber die Erkenntnis, dass Väter grundsätzlich in demselben Ausmaß wie Mütter dazu befähigt sind, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Derzeitige Situation. Bei uns zeigt die Realität, dass der Übergang zur Elternschaft nach wie vor häufig zu einer traditionellen Rollenstruktur innerhalb der Familie führt. Von allen Vätern in Österreich nehmen nur 3,3 Prozent eine Karenzzeit in Anspruch, in Skandinavien sind es im Gegensatz dazu immerhin 15 Prozent.

In Skandinavien und Belgien dürfen Väter je nach Land zehn Tage bis vier Wochen bei voller Bezahlung in Vaterschaftsurlaub gehen. In Island gehen 80 Prozent der Väter in Karenz, beide Elternteile erhalten 80 Prozent ihres Lohnes! Obwohl die gesetzlichen Grundlagen für die Karenzregelung der Männer in Österreich geschaffen wurden, verhindern unsere Wirtschaftsstrukturen und die Angst um den Arbeitsplatz leider weiterhin die zeitweilige Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit von Vätern.

Qualitäten des "neuen Vaters". Väter in Österreich haben eine durchwegs positive Beziehung zu ihren Kindern. Das zeigt eine "Väterstudie", die vom Institut für psychosoziale Gesundheit Salzburg im Auftrag der Männerpolitischen Grundsatzabteilung des Sozialministeriums (BMSG) durchgeführt wurde. Es wurden bei dieser quantitativen Erhebung 400 Väter in Österreich befragt, an der qualitativen Erhebung nahmen 25 Familien teil. Die Ergebnisse zeigen, dass positive Väterlichkeit neben der Übernahme von Verantwortung auch das Zeigen von Gefühlen beinhaltet. Ein guter Vater ist jener, der für das Kind aktiv vorhanden ist und eine emotionale Bindung zum Kind hat, also der anwesende Vater. Es ist der Mann und Vater, der Verantwortung für die Bereiche der Betreuung und Versorgung des Kindes partnerschaftlich übernimmt und aktiv ausübt.

Leider zeigt sich auch, dass Männer, die dieses Modell leben wollen, genauso in ein Spannungsfeld von Beruf und Kinderbetreuung kommen können, wie es Frauen seit Jahren kennen. Die sogenannten "Karenzväter", die das Konzept des "neuen Vaters" aktiv umsetzen wollen, sehen sich nach wie vor mit einer Reihe von Widrigkeiten konfrontiert. Sie sehen sich für eine zumindest begrenzte Zeit in einem Sonderstatus. Oft kommt es vor, dass ein Karenzvater die Vorreiterrolle übernehmen muss, also der erste Mann in einem Betrieb ist, der in Väterkarenz geht. Diese Väter haben oft das Problem, dass es ihnen an praktischen Rollenvorbildern mangelt oder dass diese völlig fehlen. Sie müssen sich ihre Vaterrolle eigenständig ausgestalten.

Wie verhalten sich "neue Väter"? Alles Gewaltähnliche ist verpönt, dafür wird gemeinsam gespielt, es werden sportliche Aktivitäten unternommen und nebenbei wird die Welt erklärt. Die körperlichen Begegnungen wie Toben, Tollen oder Kuscheln nehmen dabei einen wichtigen Stellenwert ein.

Ein Indikator dafür, dass sich die Verhaltensweisen des Durchschnittsvaters in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten deutlich verändert haben, ist auch die starke Involvierung der Väter rund um die Geburt des Kindes. War die Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal in den 70er Jahren noch an vielen Kliniken sogar untersagt, so erleben heute (in den deutschsprachigen Ländern) etwa 90 Prozent aller Väter die Geburt ihres Kindes an Ort und Stelle mit, wobei 73 Prozent dieser Väter nachher angeben, dass ihre Anwesenheit einen wichtigen und positiven Einfluss auf die Vater-Kind-Beziehung hat. 90 Prozent der Väter geben sogar an, dass dies ihre Partnerbeziehung wesentlich bereichert hat. Studien haben gezeigt, dass es heute bei österreichischen Vätern im väterlichen Erzieherverhalten einen merkbaren Zuwachs an Zärtlichkeit und Verständnis für Kinder gibt.

Qualität bedeutet auch Zeit. Ein bis zwei Stunden täglich verbringen "gute Väter" mit ihren Kindern. Sind diese im Jugendalter, verkürzt sich die gemeinsame Zeit auf eine halbe Stunde. Am Wochenende nehmen sich Väter drei bis vier Stunden täglich Zeit für ihre Kinder. Die Grundfaktoren für eine positiv erlebte Vaterrolle sind die Punkte "Zuneigung, Vertrauen, gemeinsame Zeit, Verantwortung, Verlässlichkeit und Stolz des Vaters auf das Kind."

"Neue Väter" erfahren aus der Umwelt recht unterschiedliche, oft ambivalente Reaktionen. Diese können entweder durch Bewunderung oder durch Skepsis gekennzeichnet sein. Diese Reaktionen zeigen einerseits die Freude darüber, dass ein Vater sich dem Kind so stark widmet, sie zeigen aber auch mangelndes Vertrauen in Bezug auf seine Kompetenzen. Dies erklärt zum Beispiel die Reaktion von großem Entzücken, wenn ein Vater mit dem Baby im Tragetuch unterwegs ist. Erklärt er aber dann, dass dies nicht nur ein Ausflug, sondern seine derzeitige Hauptbeschäftigung ist, können Verunsicherung und Skepsis ausbrechen. Solche Reaktionen der Umwelt nehmen Väter stark wahr. Wie sie damit umgehen, hängt ganz entscheidend von ihrem Selbstwertgefühl ab.

Sowohl bei Karenzvätern als auch bei alleinerziehenden Vätern ist es günstig, wenn die Kindesmutter die treibende Kraft ist, die sich mit der neuen Rollenverteilung auch gut identifizieren kann. Die Kombination einer sich zurücknehmenden oder verschwindenden Mutter mit einem sehr engagierten, die Sorge übernehmen wollenden Vaters ist für den "neuen Vater" die beste Voraussetzung für seine neue Aufgabe.

Die Rolle der Politik. Wie kann nun die Politik Väter und Mütter unterstützen? Sie kann männliche und weiblicher Identität genügend fördern, ohne von der Grundforderung nach einer Gleichberechtigung in der Arbeitswelt oder nach gleicher Entlohnung bei gleicher Leistung abzuweichen. Sie sollte die gewünschte Flexibilität der Eltern unterstützen und Rahmenbedingungen für verschiedene Wege schaffen, um einen Einstellungswandel in der Gesellschaft herbeizuführen, damit grundsätzlich der Stellenwert des Zusammenlebens mit Kindern erhöht wird.

Neben der Väterkarenz sollten auch flexible Lebensarbeitszeitmodelle, flexible Arbeitszeitgestaltung oder Heimarbeit bereitgestellt werden, um der elterlichen Entwicklung zu genügen. Und die Politik sollte eine Brücke zwischen Familie, Gesellschaft und Arbeitswelt schlagen, damit Männer ihren väterlichen Bedürfnissen nachgehen können, ohne um den Arbeitsplatz fürchten zu müssen. Das Ziel einer guten Familienpolitik sollte sein, beiden Elternteilen eine echte Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Modellen zu geben, um das von ihnen gewünschte Arrangement auch verwirklichen zu können.

Dies kann das traditionelle mit einem Vollzeit arbeitenden Vater und einer sich primär um Haushalt und Kinder kümmernden Mutter sein, oder aber das Modell mit einem "neuen Vater" der, wie seine Partnerin, seine Zeit sowohl der Familie als auch außerfamiliären Tätigkeiten widmet. Jede Verbesserung der familienpolitischen Rahmenbedingungen vergrößert die Chancen für optimale Lebenschancen in der Zukunft.