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Immer wieder werden sie massiv kritisiert, wenn sie die Bonität von Ländern und Banken herabstufen - trotzdem sind Ratingagenturen wichtig.
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Wieder hat eine der drei großen Ratingagenturen, die weltweit einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent haben, die Bonitätsbewertung eines Eurolandes, nämlich Belgiens, heruntergesetzt. Die Konsequenzen solcher Rückstufungen sind klar: Wegen des gestiegenen Risikos werden Käufer belgischer Staatsanleihen einen höheren Zins verlangen und dem Land mit seinem Staatsschuldenanteil am BIP von rund 100 Prozent (Österreich: 73 Prozent) die Schuldenbedienung zusätzlich erschweren.
Im Prinzip sind Ratingagenturen, die neben Staaten vor allem Wertpapiere benoten, die von Unternehmen, Banken oder sonstigen Finanzinstitutionen emittiert werden, grundvernünftige Einrichtungen. Denn den Käufern solcher Wertpapiere - meist wieder Banken, Versicherungen oder Veranlagungsfonds - fehlt häufig die Expertise, um die Qualität von zigtausenden Wertpapieren selbst zu beurteilen. Sie bedienen sich daher - ebenso wie die Notenbanken bei der Prüfung der ihnen von den Banken angebotenen Sicherheiten - professioneller Ratingagenturen mit jeweils mehr als 1000 Analysten und Ökonomen.
In der Praxis gibt es freilich eine Menge Probleme. Ratingagenturen werden von jenen Institutionen bezahlt, deren Produkte oder Bonität sie beurteilen. Zu den Eigentümern der Ratingagenturen zählen teils Finanzinstitutionen, die selbst auf dem internationalen Wertpapiermarkt als Großanleger tätig sind und von gezielten Herab- oder Hinaufstufungen profitieren könnten.
Keinen Vorwurf kann man den Ratingagenturen dafür machen, dass die Herabstufung eines einzelnen Landes die nicht immer rational agierenden Anleger oft veranlasst, im Sinne eines Ansteckungseffekts auch andere, vergleichbare Länder "abzustrafen", wie zum Beispiel den "Club Méditerranée".
Allerdings lagen die Ratingagenturen in ihren Benotungen zum Teil weit daneben. Sie trugen durch die ausgezeichnete Bewertung der US-Hypothekenderivate maßgeblich zum Ausbruch der Finanzkrise bei, und auch die US-Investmentbank Lehman Brothers erfreute sich bis zuletzt des besten Ratings. Schwer verständlich ist zudem, dass die Agenturen zuerst Länder aufgrund ihrer überhöhten Verschuldung herabstufen und dann nochmals wegen der wachstumdämpfenden Wirkungen der Sanierungsprogramme dieser Länder.
Es bedarf daher einer Regulierung, die von den Agenturen nachvollziehbare Qualitätsstandards und mehr Transparenz hinsichtlich ihrer Methoden und möglicher, die Objektivität beeinträchtigender Interessenkonflikte verlangt und ihre Finanzierungsbasis ändert. Die Forderung nach neuen, unter öffentlicher Kontrolle (zum Beispiel Notenbanken) stehenden Agenturen ist absurd. Welcher Anleger würde ihnen beim Rating von Staaten und deren Banken vertrauen?
Dennoch, allen Schwächen zum Trotz, sind die Agenturen im Länderrating unverzichtbar: Ohne sie wäre die fröhliche staatliche Schuldenmacherei weitergegangen, bekäme Österreich keine Schuldenbremse und hätte Italien keinen Ministerpräsidenten Mario Monti mit einem strengen Sanierungskurs.