Nicht jeder Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ist gerechtfertigt, argumentiert der Verkehrsexperte Josef Michael Palfinger. Er plädiert für eine gesetzliche Vorgabe, unter welchen Bedingungen der Bund Investitionen subventionieren soll.
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"Ausbau, Ausbau und Ausbau", das sind jene drei Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Verkehr in der erweiterten Union primär genannt werden. Je nach Denkgrundlage wird an den Ausbau für Land-, Wasser- oder Luftverkehre gedacht, wobei sich die Schieneninfrastruktur der größten Zustimmung erfreut. "Ausbau" ist vor allem im Hinblick auf die Schiene ein extrem stimulierendes, leider aber kaum hinterfragtes Paradigma.
Auch wenn es um den Eisenbahn- bzw. Öffentlichen Verkehr geht, sind Fragen nach dem tieferen Sinn der Maßnahmen nicht unanständig: Welche Probleme werden mit einem Projekt gelöst? Ist der verkehrliche Nutzen nachher größer als vorher? Werden mit der Maßnahme Fahrgäste gewonnen oder verloren? Werden damit Güterverkehre verlagert (und in welche Richtung)? Und: Sind diese Prognosen so verbindlich, dass sie mit der Projekt-Finanzierung verknüpft (und bei der Nichterreichung vorgeblicher Ziele Zuschüsse einbehalten) werden können?
Während etwa in Deutschland die Errichtung von Schienenwegen grundsätzlich nur dann mit öffentlichen Geldern möglich ist, wenn die positiven Auswirkungen durch ein Standard-Verfahren garantiert werden, wird in Österreich bis heute de facto danach entschieden, wer den besten Einfluss auf Entscheidungsabläufe hat.
Es gibt viele Beispiele für Großinvestitionen mit fraglichem Erfolg. In den letzten Jahren wurde die Bahnlinie Wien-Schwechat für mehr als 360 Mill. Euro (5 Mrd. Schilling) ausgebaut, der Nutzen ist gering (zwei Minuten weniger Fahrzeit, höhere Betriebskosten, weniger Fahrgäste); der projektbegründende 15-Minuten-Takt, mit dem im Einzugsgebiet um die Haltestellen ein höchst attraktives Angebot geschaffen worden wäre, wurde bis heute nicht realisiert.
Für einen Bruchteil der Kosten hätte eine "Gleislücke" von etwa sechs Kilometern, die zwischen der Endstelle der S7 und den bestehenden, nicht ausgelasteten Gleisen, die zum Hauptbahnhof von Preßburg führen (und auch eine Schleife zum Flughafen Bratislava ermöglichen), geschlossen werden können.
In Wien wurden seit den 60er-Jahren mehr als 8 Mrd. Euro (100 Mrd Schilling) für den Bau von U-Bahnen ausgegeben; Österreich hat diese Ausgaben pauschal zu etwa 50 Prozent mitgetragen. Die verkehrlichen Ergebnisse sind ambivalent, es gibt erfolgreiche und desaströse U-Bahn-Abschnitte, es wurden Fahrgäste gewonnen und verloren.
Eine Studie zeigt, daß für jeden "gewonnenen" Fahrgast in Wien im Vergleich zu anderen Städten um ein Vielfaches mehr ausgegeben wurde. Während der Bund bisher in Wien rein innerstädtische U-Bahnen-Strecken ungeachtet des verkehrlichen Nutzens (Fahrgast-Zahlen) mit 50 Prozent subventioniert, gab es bisher für ähnliche Projekte in anderen Teilen Österreichs überhaupt kein Bundes-Geld, auch wenn dort mit einem wesentlich geringeren Förderbeitrag ein größerer Nutzen zu erzielen gewesen wäre.
Die Subventionen für den Betrieb von Bussen und Bahnen sind noch weniger nachvollziehbar als die Bau-Zuschüsse. Eine Harmonisierung ist dringend notwendig: Denkbar wäre eine gesetzliche Vorgabe, unter welchen Bedingungen Zuzahlungen überhaupt geleistet werden dürfen - z.B. die Definition der zu erbringenden Mindest-Leistungen (und Sanktionen für Negativ-Leistungen).
Für Österreich wäre es in einer globalisierten Weltwirtschaft vorteilhaft, den Öffentlichen Verkehr "fit" zu machen. Es würde die Negativ-Spirale (weniger Fahrgäste, weniger Einnahmen, geringere Kostendeckung, weniger Angebote) durchbrochen; außerdem wären dann - dem Vorbild der Schweiz und anderer Länder folgend - mit geringeren Zuschüssen, günstigen Fahrpreisen und hohen Sozialstandards wesentlich mehr und bessere Leistungen zu erbringen.
Josef Michael Palfinger ist Geschäftsführer der Arbeitsgenmeinschaft Verkehrspolitik