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Singapurs kurze Tage der Freiheit und des Unmuts

Von Klaus Huhold

Politik

Präsidentenwahl öffnet seltene politische Räume.


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Singapur. Laut hallten die Buhrufe bei einer Wahlveranstaltung von Tan Jee Say, einem Präsidentschaftskandidaten in Singapur. Und zwar jedes Mal, wenn die Regierungspartei People’s Action Party (PAP) erwähnt wurde. Die Singapurer nutzten ihre kurze Zeit der Freiheit: Zehn Tage lang waren große, öffentliche Wahlveranstaltungen vor der Präsidentenwahl am Samstag erlaubt und gaben Gelegenheit, auch einmal Unmut über die Regierung auszudrücken.

Sonst hält die PAP den wohlhabenden Stadtstaat fest in ihrer Umklammerung. Es braucht eine Lizenz, wenn mehrere Personen öffentlich über die Politik Singapurs sprechen wollen, die Medien sind zensiert, Oppositionelle werden oft strafrechtlich verfolgt.

Doch schon einmal hatten heuer die Bürger die Gelegenheit, ihre Meinung kundzutun, nämlich bei der Parlamentswahl im Mai dieses Jahres. Und da fiel die die PAP auf einen historischen Tiefstand von 60 Prozent Die Partei, die früher das ganze Parlament besetzte, hält aber noch immer 81 der 87 Sitze.

Jedenfalls wächst die Unzufriedenheit. Dabei hat das Banken- und Finanzzentrum 2010 mit 14,5 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum in Asien erreicht. Gleichzeitig wachsen aber die Einkommensunterschiede, und die Mietpreise schnellen in die Höhe. Manche Singapurer verweigern der PAP auch deshalb ihre Stimme, weil sie einfach genug davon haben, dass seit der Unabhängigkeit 1965 dieselbe Partei regiert.

Der starke Mann Singapurs, Premier Lee Hsien Loong, versprach mehr Wohnförderungen. Bei der Präsidentenwahl gilt noch immer sein Kandidat, Ex-Vizepremier Tony Tan, als Favorit. Wer die Wahl am Samstag auch gewinnt, sein Familienname wird Tan lauten. Alle vier Kandidaten heißen so.

Der Präsident hat in Singapur, im Gegensatz zum Premier, wenig Einfluss. Er besitzt ein Vetorecht bei einigen Schlüsselgesetzen, aber sonst kaum Vollmachten. Sein Gehalt wird dafür auf umgerechnet 2,3 Millionen Euro geschätzt - ein Vielfaches des Verdienstes von US-Staatschef Barack Obama. Die Regierung begründet dies damit, dass man Korruption vorbeugen und die Politik für fähige Leute attraktiv machen will.