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Sinkende Lebensqualität

Von Patrick Krammer

Politik

Eine Erhebung zeigt, dass Stadtbewohner zunehmend pessimistisch in die Zukunft blicken.


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Im letzten Jahr ist die Lebensqualität in Österreichs Städten gesunken, konstatierte der Städtebund-Präsident und Wien-Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Aber es gibt auch gute Nachrichten: Das Vertrauen in die Heimatstadt sei groß, die Verbundenheit auch. Und Städte konnten zudem die sich aufstapelnden Krisen der letzten Jahre abdämpfen.

Das geht aus dem jährlichen Städtebarometer des Städtebunds hervor, den Ludwig mit Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger und der Studienautorin Janine Heinz am Dienstag präsentiert hat. Seit 2009 gibt es die repräsentative Umfrage (fast) jährlich und noch nie war die Einschätzung der Lebensqualität so gering. Dabei ist der Negativwert immer noch hoch: 79 Prozent aller befragten Stadtbewohner schätzen sie sehr und ziemlich hoch ein. Im Vergleich zum Vorjahr ist das trotzdem ein Rückgang von neun Prozentpunkten.

Kritik an Bund und Forderungen

Ludwig hat auch gleich die Gründe für den starken Rückgang der Lebensqualität gefunden. Man habe "mit drei Jahren eine sehr intensive Pandemie" hinter sich gebracht, während gleichzeitig ein Krieg ausgebrochen sei, der zu einer Teuerung geführt habe, die man in Österreich "seit Jahrzehnten nicht gewohnt war". Auch die Erhebung des Umfrageinstituts Sora kommt zu dem Schluss, dass die sinkende Lebensqualität mit der Teuerung zusammenhängt. Vor allem Menschen in prekären Situationen hätten mit einer geringeren Lebensqualität als früher zu kämpfen. Studienautorin Heinz nennt "Frauen ohne Matura" und "erwerbslose Menschen" als jene Gruppen, die es am härtesten getroffen hat.

Doch die Städte hätten ihre Resilienz bewiesen, so Ludwig, der nicht ohne Kritik am Bund auskam. Dieser hätte weder Energiepreis- noch Mietpreisbremse umgesetzt, weshalb man als Stadt Wien gezwungen gewesen sei, eigene Instrumente und Hilfen zu entwickeln. Die Einstellung des Bundes sei in mehreren Fragen folgende gewesen: "Das ist gut für Wien, deshalb machen wir es nicht", kritisierte Ludwig. Städtebund-Generalsekretär Weninger fühlte sich in der Krisenbekämpfung vom Bund ebenfalls zu wenig eingebunden, wie er bei der Pressekonferenz anmerkte.

Ludwig verwies auch darauf, dass 65 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Städten lebe und dort 71 Prozent der Arbeitsplätze seien. Er versuchte das für die laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich - der Aufteilung des Steuerkuchens auf Bund, Länder und Gemeinden - zu nutzen. Der hohe Stellenwert der Städte müsse "entsprechend berücksichtigt werden". Immerhin sind die wichtigsten Probleme, die es zu lösen gibt, vor allem dort angesiedelt, ist sich der Städtebund-Präsident sicher: fehlendes Pflegepersonal, Ausbau und Ökologisierung des öffentlichen Verkehrs und Maßnahmen gegen die Klimakrise.

Gemeinden geben Hoffnung

Der Städtebarometer kam auch zu dem Ergebnis, dass die Zukunft immer pessimistischer eingeschätzt wird. Die Zahl der Stimmen, die glauben, Gemeinde, Bundesland und Republik entwickelten sich in die falsche Richtung, nimmt zu - wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus. Sehen 60 Prozent der Befragten ihre Wohngemeinde auf dem richtigen Weg, sind es auf Landesebene nur mehr 55 und beim Bund sogar nur noch 42 Prozent. Auch hier gehen die positiven Werte seit 2020 zurück. "Der Zukunftspessimismus betrifft vor allem Österreich als Ganzes", schreibt Sora. Der um 18 Prozentpunkte bessere Wert für die Wohngemeinden zeige, dass es den "Städten besser gelingt, die Krisenfolgen abzufedern und ein positives Zukunftsbild zu vermitteln".

Kulturangebote fördern soziale Integration

Ein Grund dafür ist das kulturelle Angebot in den größeren Gemeinden. Dieses würde Stadtbewohnern sehr am Herzen liegen, 60 Prozent aller Befragten gaben an, Kultur für persönlich wichtig zu halten. In Wien waren es sogar 71 Prozent. Am öftesten werden in der Stadt Bauwerke und Denkmäler besucht, gefolgt vom Kino und Konzerten. In kleineren Gemeinden sind vor allem Stadt- und Bezirksfeste wichtig.

Laut Heinz hängt die Nutzung von kulturellen Angeboten direkt mit der politischen Partizipation und einer höheren sozialen Integration zusammen. Da Kulturangebote - wie Feste - vor allem regional genutzt werden, sorgt das auch für ein Zugehörigkeitsgefühl und soziale Durchmischung. "Wir sehen, dass die Bedeutung ganz schön hoch ist", so Heinz.

Die Forscherin spricht auch wegen eines anderen Ergebnisses von Vorteilen leistbarer Kulturangebote: "Die Wahrnehmung einer hohen Lebensqualität geht mit einer ökonomischen Absicherung einher." Im Umkehrschluss bedeute das, dass sich die Lebensqualität von Menschen steigere, wenn sie sich wieder Freizeitaktivitäten leisten können. "Das Kulturangebot der Städte federt auch die Auswirkungen der Krisen ab", ist sich Heinz sicher. "Vor allem Gratisangebote sind wichtig für Gruppen, die sonst nicht daran teilnehmen können."