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Sinkflug in das Schuldenfiasko

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Die Zukunft der AUA steht auf dem Spiel, aber auch vielen Mitbewerbern droht eine Bruchlandung.


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Die ungarische Malev ist pleite, die iberische Spanair hat Insolvenz angemeldet - welche europäische Airline landet als nächste im kommerziellen Out? Höchste Gefahr droht der AUA, sofern die Lufthansa die Geduld verliert und den Flugbetrieb in die AUA-Tochter Tyrolean auslagert. Es könnte aber auch andere hochverschuldete Mitbewerber erwischen, denn Europas Fluglinien steuern derzeit in eine höchst ungewisse Zukunft: Obwohl die Passagierzahlen im Vorjahr laut Association of European Airlines (AEA) um sieben Prozent auf 363 Millionen gestiegen sind, ziehen sich rote Zahlen durch die Bilanzen.

Und obzwar die Maschinen etwa der arabischen Emirates, der amerikanischen United Continental, der japanischen ANA oder sogar der russischen Aeroflot auf profitable Weise rund um die Welt jetten, schaffen es nur noch wenige europäische Fluglinien, sich in der Gewinnzone zu behaupten - allen voran die Billig-Airlines Ryanair und EasyJet.

Die meisten anderen kämpfen gegen ein kommerzielles Fiasko an: Die Pleite der Spanair etwa, die mit 200 Millionen Euro verschuldet ist, prolongierte bei deren skandinavischer Mutter SAS prompt eine hartnäckige Krise. Bereits seit 2007 in der Verlustzone, fehlten ihr zuletzt erneut 192 Millionen Euro in der Bilanz. Jetzt müssen weitere 300 Jobs gestrichen und in den nächsten zwei Jahren umgerechnet mehr als 500 Millionen Euro eingespart werden. Die nordische SAS, die ihre Belegschaft bereits von 23.000 auf 14.000 Mitarbeiter gekürzt hat, gilt seit Jahren als Übernahmekandidat, der sich unter dem Dach der Lufthansa am wohlsten fühlen würde.

Die Deutschen haben jedoch - nicht zuletzt in Wien - ebenfalls so ihre Probleme: Die Lufthansa hat mit ihren mehr als 400 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in den ersten drei Quartalen 2011 zwar einen Betriebsgewinn von 578 Millionen geschafft, aber große Sprünge sind derzeit nicht drinnen. Während ihr die eidgenössische Swiss durchaus Freude bereitet, könnte sie die AUA alsbald fallen lassen, wenn sich diese weiter so hartnäckig gegen die Sanierungspläne auflehnt.

Hoher Wettbewerbsdruck

© © WZ-Grafik

Die Air Berlin, die im Dezember "Niki" zur Gänze inhalierte, segelt seit kurzem unter dem Schutzschirm der erst 2003 gegründeten Etihad aus Abu Dhabi. Angesichts der allgemein gültigen Branchenübel - hoher Ölpreis, Staatsschuldenkrise und Rezession in Europa, sündteure Umweltauflagen und aufgeblähte Staffs - hätte es die zweitgrößte Airline Deutschlands allein wohl nicht geschafft, das Dilemma in den Griff zu kriegen. Die finanzkräftigen Konkurrenten aus dem Mittleren Osten machen es den Europäern praktisch unmöglich, mithalten zu können. Geld spielt für sie offenbar keine Rolle: Die schicke Scheich-Linie Emirates etwa orderte unlängst in einem Aufwaschen 50 Boeing 777 um 18 Milliarden Dollar. Qatar Airways, hat sogar 250 Maschinen im Wert von 50 Milliarden Dollar bestellt.

Das in der Branche übliche Gemetzel, das eine Marktbereinigung bringen wird, dürfte bald dramatische Ausmaße annehmen: 2011 erwischte es unter anderen die Air Zimbabwe sowie die Air Australia, und ein US-Monument wie American Airlines steht seit November unter Gläubigerschutz. Mit wenigen Ausnahmen befinden sich die europäischen Fluglinien in höchster Gefahr: Abgesehen von der Lufthansa-Gruppe als Platzhirsch, der Air France/KLM sowie der Allianz British Airways und Iberia, die Anfang 2011 unter dem Brand International Airlines Group entstand, sind so gut wie alle europäischen Airlines schwer angeschlagen. Tony Tyler, Direktor des Luftfahrtverbands IATA, sieht für 2012 schwarz: "Die Verluste in Europa werden heuer bis zu 450 Millionen Euro betragen." Die AUA befindet sich jedenfalls in bester Gesellschaft.

Staatliche Finanzspritzen

Angesichts roter Zahlen segelt etwa die nördliche Finnair, die demnächst aus Kostengründen vier Airbus A320 abbauen und in den nächsten drei Jahren 140 Millionen Euro einsparen muss, ebenso eisern auf Sparkurs wie die südliche Cyprus Airways, die erst im Vorjahr mit 20 Millionen Euro Steuergeldern gestärkt werden musste, um eine Bruchlandung vermeiden zu können. Neben staatlichen Stützungen gibt es aber auch politische Auflagen, die vielen das Leben schwer machen: So etwa untersagten die EU-Wettbewerbshüter im Jänner 2011 der griechischen Olympic Air, mit Aegean Airlines zu fusionieren.

Jene Fluglinien, deren Verluste tendenziell geringer werden - so etwa fehlten der Anfang 2009 neu aufgestellten Alitalia 2011 nur noch 69 Millionen statt wie im Jahr davor 170 Millionen Euro -, freuen sich naturgemäß selbst über geringsten Aufwind; andere wieder, die in immer turbulentere Schlechtwetterzonen eintauchen, müssen, sofern nicht bald etwas geschieht, um ihre Zukunft bangen: Die portugiesische TAP beispielsweise, immer noch zur Gänze in Staatsbesitz, steht seit gut einem Jahr zum Verkauf, weil die Regierung via Privatisierungen zu Geld kommen muss. Die Airline hat indes vor zwei Jahren noch einen Netto-Gewinn ausgewiesen, sodass die Hoffnung lebt, dass einer der Interessenten tatsächlich anbeißt. Im Rennen sind dem Vernehmen nach die International Airline Group, also die Allianz British Airways/Iberia, aber auch Qatar Airlines und eine brasilianische Gesellschaft.

Große Probleme im Osten

In Osteuropa, wo unter anderen bereits Slovak Airlines, Macedonian Air und zuletzt die ungarische Malev k.o. gingen, sind die Probleme am gravierendsten. Die lettische Air Baltic etwa, an der früher die SAS beteiligt war, meldete im vergangenen September, vier Tage nach den Parlamentswahlen, Insolvenz an. Die Regierung musste dem 1995 gegründeten Unternehmen, dessen Defizit auf 84 Millionen Euro angestiegen war, blitzartig eine Finanzspritze in Höhe von 153 Millionen Euro verabreichen und übernahm es in der Folge zur Gänze. In Serbien rutschte die JAT Airways wegen der exorbitanten Schuldenlast, die sie zuvor angehäuft hatte, an den Rand des Ruins. Der Staatscarrier, den die Regierung in Belgrad schon 2008 aus dem Verkehr nehmen wollte, muss immer noch hoffen, dass er irgendwann einen Retter findet. Derzeit sondiert eine serbische Investorengruppe die Lage - ob es zu einem Neustart kommt, ist allerdings fraglich.

Temel Kotil, CEO der Turkish Airlines, war bereits 2008 mit 49 Prozent bei der bosnischen B & H Airlines und deren drei Fliegern eingestiegen, nachdem er Royal Jordanian ausgestochen hatte, und hatte gut zwei Jahren an den Serben Interesse gezeigt - doch dann scheiterten die Verhandlungen. Die Türken sind nun eher für eine Übernahme der polnischen LOT zu haben, mit der sie seit ein paar Monaten verhandeln. Die zu 93 Prozent in Staatseigentum befindliche Fluglinie, die im Vorjahr 35 Millionen Euro Verlust schrieb, sollte schon längst privatisiert werden, doch der potenzielle Käufer ist zur Unzeit pleitegegangen.

Aeroflot zeigt, wie es geht

In Tschechien sieht es airlinemäßig ähnlich trostlos aus: Die dortige Regierung wollte sich schon Anfang 2009 von der Czech Airlines trennen - doch passiert ist das bis heute nicht. Immerhin gab es vier Kaufinteressenten - zum Beispiel Air France/KLM und die russische Aeroflot, die allerdings rasch wieder aus dem Bieterverfahren ausstiegen. Die angeschlagene Nationalfluglinie baute weiterhin flotte Verluste, muss eisern sparen und beispielsweise etliche Destinationen einstellen.

Ähnlich ergeht es der rumänischen Tarom, die ebenfalls zu haben ist. Dass sie 2010 rund 80 Millionen Euro in den Sand setzte, dürfte private Investoren ebenso davon abhalten, sich 20 Prozent der Anteile zuzulegen, wie das Faktum, dass sich die Airline seit jeher als fliegendes Fass ohne Boden präsentiert. Motto: Wo immer Staatslinie draufsteht, ist in der Regel kein Profit drin. So gesehen sind auch die slowenische Adria Airways, Croatia Airlines und Estonian Air in einer misslichen Lage.

Die rühmliche Ausnahme heißt Aeroflot: Von der Größe her mit der AUA vergleichbar, zeigt sie ihren Rivalen, wie es funktionieren könnte. Die russische Staatslinie, die 926 Destinationen in 173 Ländern anfliegt und pro Jahr 14 Millionen Passagiere befördert, steht hochweiß da: 2011 stieg der Nettoprofit um 36 Prozent, der Umsatz legte um 20 Prozent zu.