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Sinn Fein, eine Terrorpartei

Von Dieter Ebeling

Politik

London/Belfast - Es sieht so aus, als sei die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der IRA-nahen Sinn Fein durch den nordirischen protestantischen Regierungschef David Trimble das Ende des Friedensprozesses. Seit bekannt wurde, dass Sinn Fein Dossiers über Repräsentanten der britischen Staatsmacht in der Unruheprovinz angelegt hat, muss auch London an der Läuterung der ehemaligen Terroristen zweifeln.


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Dass in Nordirland, wo man politisch schon viel erlebt hat, etwas Ungeheuerliches geschehen ist, lässt sich schon an den Worten der unerschütterlichsten Verfechter des Friedensabkommens ablesen. Premierminister Tony Blair ließ durch seinen Sprecher ausrichten, er sei "ganz und gar von der Ernsthaftigkeit der Lage bewegt". Der linksliberale "Guardian" meint, man müsse "betrüblicherweise" annehmen, dass die nordirische Polizei rechtmäßig gehandelt habe.

Worum geht es? Die nordirische Polizei, gerade politisch runderneuert, hat die Büros von Sinn Fein im Stormont, dem Regionalparlament bei Belfast, durchsucht. An verschiedenen Stellen, unter anderem bei Partei-Verwaltungschef Denis Donaldson, fanden die Beamten vertrauliche Papiere aus dem britischen Nordirland-Ministerium in London, darunter persönliche Daten des britischen Armeechefs in Nordirland und Angestellte des britischen Nordirland-Büros.

Donaldson wurde am Wochenende in Untersuchungshaft genommen, weil er "hilfreiche" Dokumente besessen habe, die der Terrororganisation IRA bei neuen Anschlägen dienen könnten. Sinn Fein gilt als politischer Arm der IRA, schließlich war Donaldson selbst einst als IRA-Terrorist im Gefängnis gesessen.

"Dies ist zehn Mal schlimmer als Watergate", wettert Trimble, Friedensnobelpreisträger und Kämpfer für das Friedensabkommen gegen wachsenden Widerstand in der eigenen protestantischen Gefolgschaft. "Ein Jahr lang haben wir vertrauliche Gespräche mit der britischen Regierung geführt, während Sinn Fein alle Protokolle über diese Treffen mitgelesen hat. Das war politische Spionage in großem Stil."

Nur Lippenbekenntnisse

Die offenkundig gewordene Tatsache, dass Sinn Fein das britische Nordirlandministerium so infiltriert hat, dass die Partei auch an delikateste Interna gelangte, gilt den Kritikern Trimbles in den eigenen Reihen als letzter Beweis für das schon immer Vermutete: Dass man nämlich den von Gerry Adams geführten Republikanern von Sinn Fein nicht über den Weg trauen kann, dass deren Abwendung vom Terror nicht ehrlich ist, dass die Republikaner Blair als das sehen, was aus einem der beschlagnahmten Sinn-Fein-Dokumente hervorgehe, als "nützlichen Idioten".

Während Blair die Konfliktparteien geradezu anfleht, jetzt "eine kurze Atempause einzulegen", steuert alles auf den großen Knall zu. Die extremistischen Protestanten der DUP von Ian Paisley wollen im Stormont eine Abstimmung zum Ausschluss von Sinn Fein erzwingen. Auch die gemäßigten Loyalisten wollen jetzt nicht länger den Kabinettstisch mit den Vertrauten von Adams teilen. Blair will in dieser Woche mit Gerry Adams ein Krisengespräch führen, aber niemand glaubt mehr, dass dies den Friedensprozess rettet. "Die Stimmung in der Regierung ist verzweifelt", sagt ein hoher Londoner Beamter.