In Irland haben bürgerliche Parteien keine Mehrheit mehr. Sinn-Féin-Chefin McDonald will Linksregierung bilden.
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Seit jeher wird Irland von den beiden konservativen Traditionsparteien regiert, über Jahrzehnte konnten sich Fianna Fáil und Fine Gael sicher sein, zusammen mindestens 50 Prozent der Stimmen zu erreichen. Damit ist mit den Wahlen von vergangenem Samstag Schluss. Die republikanische Linkspartei Sinn Féin kommt auf 24,5 Prozent der Stimmen und 37 Sitze, gefolgt von Fianna Fáil (22,2 Prozent, 38 Sitze) und Fine Gael (20,9 Prozent, 35 Sitze). Die Grünen konnten ihre Mandate auf 12 verdoppeln, Labour und Sozialdemokraten kommen auf je sechs, die linke "Solidarity - People before Profit" (SPBP) auf fünf Sitze. Für die Fine Gael von Premier Leo Varadkar ist das Ergebnis eine Katastrophe. Er verliert nicht nur sein Amt, sondern hat in seinem Wahlkreis Dublin West mit gerade einmal 19,4 Prozent auch das schlechteste Ergebnis eingefahren, das es in Irland je für einen Regierungschef gegeben hat.
Sinn Féin hat die Wahlen zwar gewonnen, kommt aber dennoch auf weniger Sitze im irischen Parlament als Fianna Fáil. Das liegt einerseits daran, dass die Republikaner, vom eigenen Erfolg überrascht, zu wenige Kandidaten aufgestellt haben, andererseits am komplizierten irischen Wahlsystem: Stimmberechtigte vergeben Präferenzen, in jedem der 39 Wahlkreise können bis zu fünf Kandidaten ins 160 Sitze umfassende Parlament einziehen.
McDonald will erste irische Premierministerin werden
Sinn-Féin Chefin Mary Lou McDonald will nun die erste Premierministerin ihres Landes werden. Sie strebt eine Regierung mit den Grünen und anderen kleinen Linksparteien an, doch dafür bräuchte McDonald die Unterstützung von unabhängigen Abgeordneten. Denkbar ist auch eine Koalition zwischen Sinn Féin und Fianna Fáil mit Unterstützung kleinerer Parteien. Varadkars Fine Gael schließt eine Zusammenarbeit mit den Republikanern kategorisch aus.
Sinn Féin, früher der politische Arm der IRA, strebt nach wie vor eine Wiedervereinigung Irlands an. Sollten die Republikaner in die Regierung einziehen, wird die Forderung nach einem entsprechenden Referendum in der Republik lauter werden. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit eine Wiedervereinigung mit Nordirland, doch eine solche müsste es auch in der britischen Provinz geben - und für ein Referendum in Nordirland braucht es die Zustimmung der britischen Regierung. Unter einer Sinn-Féin-Regierung dürften die Beziehungen zwischen London und Dublin wieder komplizierter werden.(sig)