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"Sinnstiftung": Nicht immer geht mit dem Job die Zukunft verloren

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Arbeitsstiftungen werden in Zeiten der Krise wieder aktuell. | Umschulung mildert Folgen bei Arbeitsplatzverlust. | Viele Modelle: Von Regionen- über Branchen- bis hin zur Diözesanstiftung. | Linz/Wien. "Eigentlich bin ich erst bei meiner Kündigung draufgekommen, dass ich nicht auf der Straße lande, sondern in die Stahlstiftung kommen kann", sagt die 37-jährige Sabine M. "Den Abzugsposten am Lohnzettel dafür habe ich nie weiter beachtet."


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Sie hat zwar schon mehrere Jobwechsel hinter sich. Jetzt, nachdem der Arbeitsplatz verloren gegangen ist, kommt im Gespräch aber immer noch Verunsicherung durch. Kein Wunder: Die Alleinerzieherin hat für drei Kinder zwischen vier und neun Jahren zu sorgen.

14 Monate erst war sie bei Siemens VAI in Linz tätig, am Computer, in der Betriebsorganisation. Dann sind die Aufträge für den Industrieanlagenbau weggebrochen. Die Mitarbeiter von den Leasingfirmen und jene, die am kürzesten da waren, mussten als erste gehen. Anfang März es für Sabine M. so weit. Die Stahlstiftung ist für sie jetzt "ein Sicherheitspolster."

Sabine M. hat ihr Interesse an einem Sozialberuf entdeckt: Die Stahlstiftung ermöglicht ihr ein viersemestriges Studium am pädagogischen Kolleg der Diözese Linz. "Da gibt´s ein breites Berufsspektrum", freut sich die künftige Diplom-Sozialpädagogin, "vom Kinderhort bis zur Altenpflege."

Wenn es eine Arbeitsstiftung gibt, kann es so schlimm nicht werden, so der Eindruck vieler Betroffener - selbst wenn Kündigungswellen rollen und Betriebe geschlossen werden. Tatsächlich mildert der Eintritt in eine Arbeitsstiftung die Auswirkungen des Arbeitsplatzverlustes erheblich. Es ist ein großer Unterschied, ob sich jemand nach dem großen Schock in Isolation und verzweifelter Suche nach einem neuen Job wiederfindet, oder ob doch relativ konkrete Zukunftschancen winken.

Die Stahlstiftung betreut derzeit 340 Personen

Die Stahlstiftung war die erste Arbeitsstiftung in Österreich. Sie wurde 1987 in Reaktion auf die Krise der Verstaatlichten Industrie gegründet und ist bis heute aktiv. Seither wurden etwas mehr als 5000 Menschen aus allen Standorten des ehemaligen Voest-Konzerns in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark aufgenommen. Derzeit werden knapp 340 Frauen und Männer betreut.

Darunter die 51-jährige Diplomingenieurin Manuela R. Sie hatte ursprünglich in der DDR für die Instandhaltung von Bergbaumaschinen zu sorgen. Vor sechs Jahren ist sie aus privaten Gründen nach Linz gekommen, hat zunächst drei Jahre als Filialleiterin bei einer großen Lebensmittelkette gearbeitet, ist aber bald in den Maschinenbereich zurückgekehrt. Erst zu einer Baumaschinenfirma, dann sollte sie bei Siemens VAI - mit ihren aus DDR-Zeiten stammenden Russisch-Kenntnissen - das Russlandgeschäft mit betreuen. Ende 2008 hat die Krise zugeschlagen, Russlandgeschäft hat es keines mehr gegeben. Also ab in die Stahlstiftung. Auf dem Umweg über Personaltrainingskurse ist Manuela R. dann auf ihren neuen Arbeitgeber, die MCE Chemserv, gestoßen. Qualitäts-management für Industrieanlagen ist ihr neues Arbeitsfeld. Irgendwie führt es sie also zurück zu den Wurzeln.

Flexibel zeigt sich auch Thomas L.: Der gelernte Maler und Anstreicher ist 43. Er hat in einer Voest-Tochterfirma Metallplatten verpackt. Als es wegen Auftragsmangels keine Metallplatten mehr zu verpacken gab, wurde er als Maler eingesetzt. Bis auch da nichts mehr zu tun war. Über die Stahlstiftung hat Thomas L. dann bei der Firma "Teamwork" gelernt, als Maler mit beeinträchtigten Menschen zu arbeiten. "Teamwork" ist eine Holz-, Kunststoff-, Verpackungs- und Renovierungsfirma mit 240 Beschäftigten, die auch Menschen mit Beeinträchtigung die berufliche Integration ermöglicht. Thomas L. wird Chef der Malerabteilung - und, so sagt er, gleich viel verdienen wie vorher.

Inzwischen gibt es rund 200 Arbeitsstiftungen

Die Erfolgsbilanz der Stahlstiftung: 3500 höher Qualifizierte, darunter fast 950 Hochschulabsolventen und 230 Unternehmensgründer. Das war ein ermutigender Anfang. Inzwischen sind es rund 200 Arbeitsstiftungen geworden, schätzt Herbert Buchinger, Chef des AMS Österreich. Es gibt solche von Unternehmen, Regionalstiftungen in den einzelnen Bundesländern, Branchenstiftungen und Insolvenzstiftungen. Selbst die Diözese Linz unterhält eine Arbeitsstiftung für Mitarbeiter, die kirchlicher Rationalisierung zum Opfer fallen.

Die Nachfrage nach Stiftungsplätzen steigt mit der Arbeitslosigkeit. Allein in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres sind es mit 3500 Teilnehmern um 12 Prozent mehr geworden. "Die Anfragen nehmen zu, die Firmen rüsten sich für die Zeit nach Auslaufen der Kurzarbeit, wenn Kündigungen drohen", berichtet Silvia Kunz, Geschäftsführerin des Vereins für Förderung von Arbeit und Beschäftigung in Linz.

Die jüngste Arbeitsstiftung ist die am 1. Mai präsentierte Jugendstiftung. Nach heftigem Tauziehen um die Finanzierung zwischen den Sozialpartnern bietet sie 2000 jungen Menschen zwischen 19 und 24 berufliche Weiterbildung und bessere Qualifikation. Zielgruppen: Leiharbeitsfirmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Die Kosten von 10 Millionen Euro kratzen die öffentliche Hand, das AMS und die Unternehmer zusammen, von denen jeder Betrieb pro Person 500 Euro in die Stiftungskassa einzahlen muss.

Gerade junge Menschen müssen oft als Leih- oder Zeitarbeiter ins Berufsleben einsteigen - diese sind die ersten Opfer der Krise. "Die Beschäftigung der Zeitarbeiter ist seit 2008 um 40 Prozent gesunken", berichtet AMS-Chef Herbert Buchinger, "35.000 haben ihren Arbeitsplatz in den Firmen verloren, und die können die Leiharbeitsfirmen nicht mehr bis zum nächsten Job halten."

Die Finanzierung einer Arbeitsstiftung ist das Verhandlungsergebnis zwischen Unternehmen, Betriebsrat und allfälligen Förderern, wie AMS, Bund, Land, EU-Sozialfonds oder Gemeinden. Oft ist eine Arbeitsstiftung Teil des Sozialplans bei Betriebsschließungen, wie zuletzt in Hallein, als die finnischen Eigentümer von M-Real Ende April die Papiererzeugung einstellten. 475 Menschen werden gekündigt. Die Arbeitsstiftung sei gut dotiert, meinen Gewerkschafter, die genauen Bedingungen aber werden nicht veröffentlicht.

Bei einem Konkurs bleibt die Einrichtung einer Insolvenzstiftung an öffentlichen Stiftungsträgern hängen - aber auch da oft nur, wenn der politische Druck groß genug ist: Wenn zum Beispiel eine Gemeinde weitgehend von einem einzigen Arbeitgeber abhängig ist und der in die Pleite schlittert. Dann zahlt das AMS bis zu 50 Prozent, der Rest entfällt auf Land und/oder die Gemeinde.

Von den 1,3 Milliarden Euro, die heuer auf Bundesebene für aktive Arbeitsmarktpolitik budgetiert sind, entfallen schätzungsweise 25 Millionen auf Arbeitsstiftungen. Dazu kommen Aufwendungen von Ländern und Gemeinden.

Frage der Leistbarkeit auch für die Teilnehmer

Für die Teilnehmer stellt sich die Frage: Kann ich es mir leisten - nur mit Arbeitslosengeld und einem kleinen Stipendium? Die Verweildauer in einer Arbeitsstiftung kann bis zu einigen Jahren reichen. Gekündigte Arbeitslose, aber auch Job-Hopper, die sich arbeitslos melden, sind in einer Arbeitsstiftung meist gut aufgehoben. Michael N. hat in der Stahlstiftung eine Ausbildung zum Personalcoach erhalten, die er sich sonst nicht hätte leisten können. Er sieht die "Stahlstiftung als Sinnstiftung".