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Heftige Kritik an EU-Kommission. | Wifo ortet "schalen Nachgeschmack". | Wien. Nach der Zustimmung der EU-Kommission zur Übernahme des Lebensmittelhändlers Adeg durch den Branchenriesen Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa) gingen am Dienstag die Wogen hoch. Während Rewe von einer "sinnvollen Lösung" spricht und darauf pocht, auf diese Weise das wirtschaftlich ins Trudeln geratene Traditionsunternehmen Adeg zu retten, fürchten Kritiker des Deals einen Anstieg der Marktkonzentration, unter dem sowohl Konsumenten als auch Lieferanten zu leiden hätten.
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Der Rewe-Adeg-Zusammenschluss sei ein weiterer Schritt hin zu weniger Wettbewerb und damit zu höheren Lebensmittelpreisen, meint Arbeiterkammer-Expertin Maria Kubitschek. Gerade in Zeiten hoher Teuerungsraten hätten die EU-Wettbewerbshüter die Aufstockung des Rewe-Anteils an Adeg von 24,9 auf 75 Prozent einer vertieften Prüfung unterziehen sollen.
Das ist jedoch nicht geschehen: EU-Kommissarin Neelie Kroes hatte am Montag die Übernahme freigegeben (die "Wiener Zeitung" berichtete). Rewe muss lediglich in 28 von 121 politischen Bezirken Österreichs Geschäfte abgeben, wenn der gemeinsame Marktanteil von Rewe und Adeg mehr als 50 Prozent ausmacht.
Nach vollzogener Adeg-Übernahme werden die größten drei Lebensmittelhändler (Rewe, Spar, Hofer) zusammen auf rund 83 Prozent Marktanteil kommen.
Teurer als Deutschland
Dabei sieht Kubitschek schon heute negative Auswirkungen der Marktdominanz der großen Ketten auf das Preisniveau: Ein Preisvergleich zwischen Diskontern in Österreich und Deutschland habe ergeben, dass hierzulande Konsumenten für das gleiche Produkt im Schnitt um 20 Prozent mehr hinblättern müssen als im Nachbarland.
Auch für Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hinterlässt die EU-Entscheidung angesichts ohnehin steigender Preise "einen schalen Nachgeschmack". Er hätte sich zumindest eine vertiefte Prüfung gewünscht.
Doch nicht nur auf die Preise könnte sich die wachsende Marktmacht der Großkonzerne (siehe Grafik) auswirken. Auch die Lieferanten rechnen mit wachsendem Druck: Alles in diesem Zusammenhang gebe "Grund zur Sorge", meint Michael Blass, Geschäftsführer des Fachverbands der Lebensmittelindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich. So müsse man die Kommission unter anderem fragen, warum bei den vereinbarten Auflagen das Großhandelsgeschäft von Rewe und Adeg ungeschoren davonkommt. Thomas Oliva vom Markenartikelverband wirft der Kommission vor, die Wirkung ihrer Entscheidung auf die Lieferanten außer Acht zu lassen.
Wenig euphorisch zeigt man sich auch seitens der Österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde. Die Entscheidung der EU-Kommission sei zu akzeptieren, hieß es am Dienstag. Laut BWB-Chef Theodor Thanner sind die Brüsseler Wettbewerbshüter nur in Ansätzen auf die Anregungen der heimischen Behörde eingegangen.
Spar offen für Kaufleute
Vor allem was die vereinbarten Auflagen für Rewe anbelangt, zeigt sich Thanner kritisch. Kenner der Materie stoßen sich hier unter anderem an der von der Kommission vorgenommen Aufteilung des österreichischen Markts in politische Bezirke.
Wie die Auflagen erfüllt werden sollen, steht derzeit noch in den Sternen. Schätzungen zufolge müssen etwa 50 Adeg-Standorte verkauft werden. Allerdings handelt es sich dabei auch um selbständige Kaufleute, die man nicht einfach aus der Adeg-Organisation werfen kann. Gelingt es Rewe nicht, in den entsprechenden Bezirken genügend Adeg-Geschäfte abzugeben, müssen bis zu einer gewissen Umsatzgrenze eigene Filialen verkauft werden.
Die Auflagen könnten auch Rewe-Hauptkonkurrent Spar ein wenig trösten: "Wir sind generell für selbständige Kaufleute, die zu uns kommen wollen, immer offen", hieß es am Dienstag. Bereits am Montag hatte Spar ein Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Aussicht gestellt. Bis dato kenne man aber die genauen Details der EU-Entscheidung nicht.