Der neue Finanzausgleich war keine umfassende Reform, aber ein erster Schritt dazu. Er bietet jedenfalls eine große Chance, aus diesem Schritt zu lernen.
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Nach neun Jahren haben sich Bund, Länder und Gemeinden auf ein neues Finanzausgleichsgesetz (FAG) geeinigt. In der Zwischenzeit wurde das FAG 2008, das ursprünglich bis 2013 laufen sollte, zweimal verlängert, um den nötigen zeitlichen Rahmen für Beratungen über eine grundlegende Reform zu schaffen.
Für eine Reform war es auch an der Zeit. Denn zum wiederholten Mal wurde von allen Seiten eine Neuregelung gefordert, die die Aufgaben- und Kompetenzverteilung mit der Finanzausstattung der Gebietskörperschaften in Einklang bringen soll. Beinahe zwei Jahre haben die konkreten Verhandlungen zum neuen Gesetz gedauert. Der aktuelle Finanzausgleich lässt dabei im Vergleich zu seiner Vorgänger-Regelung zwar neue Ansätze erkennen, doch sind diese eher punktuell angedacht. Auf eine grundlegende Reform im Sinne einer ganzheitlichen Umgestaltung beziehungsweise einer Neuausrichtung konnte man sich jedoch nicht einigen - weder bei den Kompetenzen noch im Finanzausgleich.
Auch zukünftig werden die unterschiedlichen Anforderungen der Gemeinden bei der Verteilung der Ertragsanteile nur in geringem Ausmaß berücksichtigt. Zwar wurde die Komplexität durch eine Reduktion der Verteilungskriterien reduziert, dadurch aber gleichzeitig wieder mehr Ungleichgewicht geschaffen. Die Grundproblematik des Verteilungssystems ist daher nicht gelöst.
Das erwähnte Ungleichgewicht entsteht, wenn vor allem das Kriterium Einwohnerzahl zur Verteilung der Finanzmittel verwendet wird, ungeachtet der unterschiedlichen Anforderungen der Gemeinden - sei es durch föderale Unterschiede, soziodemografische oder topografische Bedingungen, aber auch durch politische Schwerpunktsetzungen.
Aus diesem Grund wird seit Jahren von allen Seiten mit unterschiedlichen Zielsetzungen eine Neuausrichtung der Verteilung der sogenannten Gemeinde-Ertragsanteile gefordert, die knapp zwölf Prozent der gemeinschaftlichen Bundesabgaben betragen.
Die derzeitige Verteilung erfolgt fast ausschließlich auf Basis der Volkszahl beziehungsweise des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Dabei wird unterstellt, dass mit steigender Bevölkerungszahl die Ausgaben pro Einwohner überproportional zunehmen. Kritisch ist diese Herangehensweise insofern, als dadurch andere wesentliche Einflüsse auf die Ausgabenstruktur der Gemeinden ausgeblendet werden.
Ein Beispiel dafür ist der Aufgabenbereich Soziales, da dieser hinsichtlich Kompetenzverteilung und Finanzierungsverflechtung sehr komplex ist. Neben Gemeindeeinrichtungen (zum Beispiel für Altenpflege oder Betreuungsleistungen) wird ein Großteil der Sozialleistungen durch die Länder abgewickelt. Die Gemeinden zahlen für diese Leistungen Beiträge an die Länder oder an die Sozialhilfeverbände (Sozialhilfeumlage).
Die Höhe der Mitfinanzierung ist durch das Landesgesetz geregelt (meist hängt diese von der Finanzkraft der Gemeinde ab). Nun sind in keinem anderen Bereich die Ausgaben so stark gewachsen wie im Sozialbereich, dazu zählt auch der Pflegebereich. Die Analyse dieser Ausgaben zeigt, dass je nach Zusammenfassung der Aufgabenbereiche die Ausgabenstruktur unterschiedlich ist. Während die Sozialausgaben pro Einwohner mit der Gemeindegröße stetig wachsen, zeigt sich dieser Verlauf bei den Pflegeausgaben eher sprunghaft. Dennoch wird für beide Bereiche derselbe Verteilungsschlüssel in Form des abgestuften Bevölkerungsschlüssels herangezogen.
Problem bei hohen Investitionen
Dieselbe Problematik hinsichtlich Umverteilung ist besonders bei investitionsintensiven Aufgabenbereichen im kommunalen Bereich zu erkennen, da sich hier die Beziehung zwischen Ausgaben und Bevölkerungszahl umgekehrt verhält, als es beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel angenommen wird. Grund dafür ist, dass sich Investitionen mit einem bestimmten Anschaffungswert im Budget einer kleinen Gemeinde mit höheren Pro-Kopf-Ausgaben niederschlagen als bei größeren Gemeinden. Bei diesen Aufgaben können die Ausgaben je Einwohner daher mit steigender Einwohnerzahl abnehmen.
Der neue Finanzausgleich geht hier zumindest im Ansatz einen Schritt in diese Richtung. Ein Teil der Mittel wird nun bei Gemeinden bis 10.000 Einwohner nach Nächtigungszahlen verteilt (ein wichtiger Indikator des Tourismusbereichs). Dieser bisher einzige aufgabenorientierte Schlüssel im Finanzausgleich dient auch dazu, den mit dem FAG 2017 weggefallenen Getränkesteuerausgleich (der durch die Abschaffung der gemeindeeigenen Getränkesteuer nötig wurde) einigermaßen zu kompensieren.
Kleines Dorf, viele Touristen
Der Tourismus ist - gemessen an den Ausgaben - vor allem für kleinere Gemeinden in Westösterreich eine wichtige Aufgabe. Das führt zur Frage, welche Aufgaben durch welche Mittel des Finanzausgleichs abgegolten werden sollen? Eine Frage, die für den häufig geforderten und viel diskutieren "aufgabenorientierten Finanzausgleich" zu klären gilt. Die Frage ist aber nicht leicht zu beantworten. Dies zeigen auch Studien, die den Versuch unternommen haben, kommunale Aufgaben in Abhängigkeit der Zentralörtlichkeit oder Einwohnerzahl einer Gemeinde in verschiedene Aufgabenbereiche zu gliedern.
Im Rahmen der Studie "Analyse der Gemeindefinanzen vor dem Hintergrund eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs" ist der Begriff für kommunale Basisaufgaben breit gefasst worden. Die Verfassung sieht in Österreich das Prinzip der "Einheitsgemeinde" vor. Dieses Prinzip geht davon aus, dass für alle Gemeinden, unabhängig von Bevölkerungszahl, räumlicher Ausdehnung und wirtschaftlicher Leistungskraft, die verfassungsgesetzlichen Grundlagen gelten. Daher soll für alle Bürger - unabhängig davon, ob sie in einer Stadt oder am Land leben - die "Gleichheit der Lebensbedingungen" herrschen. Viele Aufgaben, die zum Beispiel als "zentralörtliche Aufgaben" definiert wurden, werden ebenso von klein(er)en Gemeinden wahrgenommen - wenn auch in weniger institutionalisierter Form oder in Form einer Mitfinanzierung.
So zeigt sich, dass eine Finanzausgleichsreform Richtung Aufgabenorientierung kein einfaches Unterfangen ist. Aus diesem Grund hat man sich bei den Verhandlungen auf eine Art Pilotprojekt geeinigt, und zwar vorerst für den Bereich Elementarpädagogik. Bereits ab 1. Jänner 2018 ist eine teilweise aufgabenorientierte Zuteilung der Gemeindeertragsanteile für diesen Bereich geplant.
Das heißt, in Zukunft erfolgt die Verteilung nicht nur nach der Einwohnerzahl, sondern teilweise auch nach statistischen Indikatoren der Kinderbetreuung (wie Öffnungszeiten, Gruppengröße, etc.), die vor allem aus der Kindertagesheimstatistik gewonnen werden sollen. Doch die ersten Verhandlungen zeigen, dass zur Aufgabenorientierung mehr gehört, als einen Verteilungsindikator durch einen anderen zu ersetzen. Das Grundproblem würde weiterhin bestehen bleiben, wenn unterschiedliche Leistungen und Qualitäten (etwa aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen oder weil die Nachfrage nach Betreuungsformen von Bundesland zu Bundesland oder auch von Stadt zu Land differenziert) mit einem einheitlichen Verteilungsschlüssel finanziert werden.
Auch wenn das Finanzausgleichsgesetz 2017 für die nächsten fünf Finanzjahre keine große Reform mit sich bringt, bietet es eine große Chance, daraus zu lernen. Denn eine Reform des Finanzausgleichs sollte nicht bedeuten, Verteilungskriterien und Prozentsätze neu zu definieren, sondern sich mit dem System insgesamt auseinanderzusetzen.
Gastkommentar:
Yvonne Ohnewas ist seit 2013 Beraterin beim Institut für Verwaltungsmanagement (IVM) mit Schwerpunkt öffentliches Finanz- und Haushaltswesen. Sie ist Mitautorin von Publikationen aus der Schriftenreihe "Recht und Finanzierung für Gemeinden" (RFG) zum Finanzausgleich.
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