In Leitartikeln und Studien kommt Föderalismus meist schlecht weg. Jetzt nimmt auch noch ein Fan den Hut. | Neun Länder, neun Landtage, neun Landesregierungen, gar nicht zu reden von den vielzitierten neun Bauordnungen: Den einen ist der österreichische Föderalismus Ursache fast aller Übel in diesem Land, anderen hingegen Garant für regionale Besonderheiten.
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Zu Letzteren zählt zweifellos Jürgen Weiss, der am Donnerstag nach fast dreißig Jahren als Bundesrat von der Länderkammer Abschied nahm. Wann immer in den letzten Jahrzehnten Konzepte für eine Föderalismusreform gewälzt wurden, saß der 1947 in Hard am Bodensee geborene Vorarlberger für die ÖVP - und vor allem die Länderinteressen - mit am Verhandlungstisch. Zwischen 1991 und 1994 bekleidete er sogar eines der unmöglichsten Ämter dieser Republik: Jenes des Bundesministers für Föderalismus und Verwaltungsreform.
Weiss selbst, der seit 1979 der Länderkammer angehörte und seit 1997 die Funktion eines ständigen Vizepräsidenten (die Funktion des Präsidenten wechselt halbjährlich) des Bundesrats ausübte, beschreibt das ewige Ringen um schlankere, effizientere Verwaltungsstrukturen selbst als "Sisyphusarbeit unter erschwerten Bedingungen": Denn anders als der tragische Held aus der griechischen Mythologie müssten Österreichs diesbezügliche Akteure nicht nur einen, sondern gleich mehrere Steine einen Berg hinaufrollen - und ihnen anschließend wieder beim Hinunterrollen zuschauen. Und gelingt doch einmal ein kleiner Fortschritt, wird er prompt durch neue, zusätzliche Gesetze und Verordnungen wettgemacht.
Als größten Erfolg in all den Jahrzehnten bezeichnet Weiss, dass es gelungen sei, die Mitsprache von Parlament und Ländern bei EU-Entscheidungen im Vorfeld des EU-Beitritts 1995 sicherzustellen.
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Es soll ja Menschen geben, die die parteiinternen Listenerstellungen für Wahlen für wichtiger erachten als die Wahlen selbst.
Nun hat sich eine Web-Initiative (www.gruenevorwahlen.at) zum Ziel gesetzt, auf die Erstellung der Kandidatenlisten der Grünen für die Wiener Gemeinderatswahl 2010 Einfluss zu nehmen. Die Initiatoren, allesamt Grün-Sympathisanten, wollen auf diese Weise ihre Partei zu mehr Offenheit zwingen. Einige Personalentscheidungen, insbesondere die Abwahl von EU-Mandatar Johannes Voggenhuber, waren ihnen zuletzt ein Dorn im Auge.
Rechtlich ermöglicht wird das Projekt durch die Parteistatuten der Wiener Grünen: Mitbestimmen kann, wer eine Unterstützungserklärung unterzeichnet, eine Parteimitgliedschaft ist nicht notwendig, bei einer anderen darf man allerdings auch nicht sein.
Brodelt es also an der Basis der Wiener Grünen? "Sicher nicht. Wenn sich Menschen für eine Partei interessieren und mitbestimmen wollen, ist das doch kein Unmut." David Ellensohn, Grüner Stadtrat ohne Portefeuille, weist diese Vermutung weit von sich.
Und auch mit dem ständigen Vorwurf, die Grünen würden sich nicht erneuern, kann er nichts anfangen: "Von den derzeit 16 Abgeordneten kamen 2005 sechs neu in den Gemeinderat, 2001 waren es von elf sogar acht - das muss uns erst einmal eine Partei nachmachen".