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Sittenwidrige Verträge für Euro-Praktikanten?

Von Reinhard Binder

Wirtschaft

Rechtsanwältin ortet Ausbeutung der Fußballfans. | Für Volontäre soll das Schweizer Recht gelten. | Wien. Mit "unvergesslichen Erinnerungen, bereichernden persönlichen Erfahrungen sowie als ein einzigartiges Erlebnis" bewarb die Uefa ihr Volonteer-Programm für die Fußball-Europameisterschaft. Insgesamt werden 2500 freiwillige Helfer an den Austragungsorten in Österreich im Einsatz sein. Die Aufgaben reichen von einfachen Aufbautätigkeiten im Stadion, Kartenabreißen über VIP-Service bis zu Fahrtendiensten. Ihr magerer Lohn: Verpflegung, Freifahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Sportanzug und ein Zeugnis.


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Geht die Uefa zu weit?

Rechtsanwältin Ruth Hütthaler-Brandauer, Expertin für Arbeitsrecht, kritisiert die Gestaltung dieser Arbeitsverträge durch die Uefa scharf. "Das sind keine Volontärverträge, sondern reine Dienstverträge, da fixe Arbeitszeiten vorgeschrieben werden und die Freiwilligen an Weisungen des Arbeitgebers gebunden sind", erklärt sie gegenüber der "Wiener Zeitung".

Vor allem die Unentgeltlichkeit der Arbeitsverträge ist der Rechtsanwältin ein Dorn im Auge. Schließlich wird die Europameisterschaft zum Millionengeschäft für die Uefa und die österreichische Wirtschaft.

Nach österreichischem Arbeitsrecht kann zwar grundsätzlich Unentgeltlichkeit vereinbart werden. Die Grenze liegt aber bei der Sittenwidrigkeit, wenn laut Rechtsprechung "die Vereinbarung durch Ausbeutung des Leichtsinnes, einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder durch die Verständnisschwäche des Dienstnehmers zustande gekommen ist". Hütthaler-Brandauer sieht hier zweifelsohne die Fußballleidenschaft ausgebeutet. "Ein Vertrag, der gegen die guten Sitten verstößt, ist immer nichtig."

Werden Sportanzug, Gratisverpflegung und andere Vergünstigungen trotz Unentgeltlichkeitsvereinbarung als Gegenleistung argumentiert, würde die erbrachte Leistung in krassem Widerspruch dazu stehen. Da die meisten Freiwilligen außerhalb des Stadions eingesetzt werden, ist auch der Match-Besuch keine Gegenleistung. Die Grenze ist laut Rechtsprechung hier immer der Lohnwucher, also wenn die Dienstleistung durch sittenwidrige Ausbeutung im auffallenden Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung steht.

Rechtlich vertretbar

Universitätsprofessor Wolfgang Mazal sieht die Volontärverträge zwar kritisch, aber als rechtlich durchaus vertretbar. Er zieht Parallelen zu Rettungsorganisationen. Denn auch diese schließen unentgeltliche Arbeitsverträge, weil sie sich auf ihre freiwilligen Mitarbeiter verlassen müssen. "Da es keinen Kollektivvertrag gibt, entsteht auch kein Lohnanspruch", erklärt Mazal. Hütthaler-Brandauer hält entgegen, dass hier keine sozialen Zwecke sondern neben dem Sport vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgt werden.

In den Arbeitsverträgen wurde Schweizer Recht mit dem Gerichtsstand Nyon vereinbart. Auch hier macht es sich die Uefa viel zu leicht. Laut Mazal ist es durchaus möglich, Schweizer Recht zu vereinbaren, trotzdem müssen zwingende arbeitsrechtliche Schutzgesetze beachtet werden. Nach Nyon muss jedenfalls kein Freiwilliger reisen, da immer die österreichischen Arbeits- und Sozialgerichte zuständig sind.